Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
396 Virchow, Zoonosen. 
tagiums zusammenhängen. Selbst für die Uebertragung der Krankheit un- 
ter Thieren ist es so schwer, sichere Thatsachen über die Flüchtigkeit des 
Contagiums zusammenzubringen, dass man oft genug geradezu erklärt hat, 
dasselbe sei stets fixer Natur. Indess scheint es nach einigen Beobach- 
tungen allerdings, dass Ansteckungen vorkommen, die nur durch die An- 
nahme eines flüchtigen Ansteckungsstoffes erklärlich werden. Aber im 
Grossen kommt diess gewiss selten vor und bei experimentellen Unter- 
suchungen ist man meist zu negativen Resultaten gekommen, so dass ent- 
weder eine besondere Concentration des flüchtigen Stoffes, oder eine be- 
sondere Energie desselben nothwendig zu sein scheint. 
$. 57. Die einmalige Infeclion des Körpers durch das Contagium 
schützt nicht vor neuen Anfällen. Man hat einzelne Beobachtungen, wo 
dieselben Leute mehrmals angesteckt wurden und jedesmal erkrankten. 
Freilich hat man andere Beispiele angeführt, wo die spätere Erkrankung 
nicht mehr die Heftigkeit der früheren hatte, allein sie sind nicht sicher 
genug, um als entscheidend gelten zu können. Dabei darfman aber nicht 
übersehen, dass die Anthraxbeulen fast niemalsihren spontanen Ablauf ma- 
chen, wie es doch bei den Impfungen und Ansteckungen derFall ist, welche 
Schutzkraft besitzen; fast jedesmal wird durch gewaltsame Mittel die Ent- 
wicklung des Knotens gehindert und eine eigentliche Durchseuchung des 
Individuums ist nicht möglich. 
$. 58. Der gewöhnliche Träger des Contagiums ist da- 
herirgend einer der thierischen Säfte. Indess haftet die Viru- 
lenz mehr. an dem Blute und seinen unmittelbaren Abkömmlingen, den 
Ernährungssäften, als an den Secreten, so dass selbst die Milch oft genug 
unschädlich befunden wurde oder doch höchstens bei denen, welche da- 
von tranken, Durchfälle, Leibweh und andere Zufälle ohne speeifischen 
Charakter hervorbrachte. Auch hier scheint es Fälle zu geben, wo bei 
besonderer Heftigkeit der Krankheit die Zahl der infeetiösen Substanzen 
zunimmt, während in anderen nur gewisse Theile als sichere Inhaber der 
gifligen Eigenschaften zu betrachten sind. Am intensivsten sind die letz- 
teren natürlich am lebenden Thiere selbst und kurz nach der Tödtung, 
allein sie haften lange Zeit an den todten und getrennten Theilen, ja sie 
werden durch Trocknen, Kochen, Braten nicht sicher zerstört. Wenn 
es auch sehr bedenklich sein möchte, die Aufstellung von Carga- 
nico zuzulassen, welcher noch den aus milzbrandigen Theilen berei- 
teten Leim als bedenklich betrachtet, so scheint es doch sicher, dass 
alle diejenigen Handwerker der Gefahr einer Milzbrandinfeetion sehr aus- 
gesetzt sind, welche mit Häuten, Haaren, Knochen und Talg solcher 
Thiere zu thun haben, also namentlich Gerber, Kürschner, Tapezierer, 
Lichtzieher und Seifensieder u. s. w. Häufig genug ist hier freilich 
der ganz sichere Nachweis der Contagion nicht zu führen, und die Deu- 
tung der Krankheitsfälle wird oft nach blosser Analogie vorgenommen. 
Indess ist die Wahrscheinlichkeit zuweilen gross genug. So erzählt Trous- 
seau (Gaz. med. 1847. Fevr. N. 4), dass in zwei Pariser Fabriken, in 
welchen Pferdehaare aus Buenos Ayres verarbeitet werden und welche 6— 
8 Arbeiter beschäftigen, seit 10 Jahren gegen zwanzig Leute gestorben 
seien, deren Tod dem Carbunkel zugerechnet wurde. Er selbst sah drei 
Leute, welche die Pustula maligna gehabt hatten und durch energische 
Cauterisation davon befreit waren. Begreiflicherweise war es aber nicht 
möglich, den Beweis zu führen, dass die Pferde, von denen diese Haare 
stammten, milzbrandig waren. Es dürfte daher immerhin mit dieser Art 
der Deutung etwas vorsichtig zu verfahren sein. Ich habe im Sommer 
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