404 Virchow, Zoonosen.
Diese unterscheiden sich sehr wesentlich durch die allgemeinen, be-
gleitenden Erscheinungen. Ziemlich constant beginnt mit diesen die Reihe
der krankhaften Zufälle, häufig sogar in sehr hefiiger febriler Form, und
die localen Erkrankungen erscheinen erst als secundäre Folgen. Allein
auch im Einzelnen sind grosse Verschiedenheiten. Das Noma erreicht nie
den Grad der Hyperämie und Ekehymosirung, welche die Anthraxbeule so
sehr charakterisirt, und das Resultat seiner Zerstörung ist eine weiche,
fetzige, missfärbige Substanz, nicht jene mumifieirten, trocknen , kohligen
Massen ‚des Milzbrand-Carbunkels. Diese kommen nur in der Pest vor,
hier aber auf einer äusserst schmerzhaften Grundlage. Zugleich ist der
Sitz meist sehr charakteristisch. Während der einfache Carbunkel am
gewöhnlichsten in dem dicken Corium des Nackens und Rückens, der
Milzbrandcarbunkel an den von aussen zugänglichen Stellen des Kopfes,
Gesichtes, Halses, der Hände und Vorderarme vorkommt, so findet sich
der Pestearbuukel am meisten an bedeckten Stellen des Rumpfes und der
Extremitäten, und während der Milzbrandcarbunkel meist einfach und häufig
sehr umfangreich ist, sind die Rotzearbunkel gewöhnlich mehrfach oder
vielfach und von geringerem Umfange vgl. $. 91 u. 94.
$. 70. Die Prognose ist im Ganzen eine bedenkliche, da trotz
frühzeitiger Behandlung doch nicht immer eine Heilung möglich war. In-
dess ist dieselbe doch nicht ungünstig, wenn sofort Hülfe gesucht wird,
indem nach Allem, was wir über den Verlauf dieser Krankheit wissen, die
einzige Sicherheit in der örtlichen Behandlung der Carbunkeln liegt, wäh-
rend eine Wahrscheinlichkeit der Heilung der allgemeinen Zufälle niemals
vorhanden ist. Besondere Gefahren kann der Sitz der Carbunkel mit sich
bringen, indem die Geschwülste am Halse leicht Asphyxie erzeugen, die
am Kopfe sich auf die Hirnhäute oder das Hirn selbst verbreiten können.
$. 71. Die Behandlung muss natürlich eine möglichst frühzeitige
sein. Die Regierung, wie die Einzelnen haben die Verpflichtung einer
möglichst sorgfältigen Prophylaxe, die sich auf die Vernichtung alles
dessen, was von milzbrandigen Thieren stammt, erstrecken muss. Im
Allgemeinen scheint auch hier auf die Krankheit bei Rindern und Pferden
grösseres Gewicht gelegt werden zu müssen, als bei Schaafen. Trotz der
Versuche von Renault und den nicht seltenen zufälligen Erfahrungen
über die Unschädlichkeit des Genusses gekochten oder gebratenen Flei-
sches solcher Thiere dürfte es doch noch gerathen sein, denselben überall
zu untersagen. Alle Sachen, welche nicht zerstört werden können, müssen
mit Chlorkalk oder Chlorwasser gewaschen, die Ställe mit Chlorgas geräu-
chert werden, die Menschen, welche zufällig mit Thierstoffen bespritzt wur-
den, müssen sich auf gleiche Weise reinigen. Ist eine Verletzung erfolgt,
so muss sogleich stark geätzt werden.
Ist dagegen die Milzbrandblatter schon gebildet, so muss der ganze
Ort bis in das Gesunde hinein zerstört werden. Ja es scheint, dass auch
noch in späterer Zeit, wo unzweifelhafle Zeichen einer allgemeinen Infec-
tion vorhanden sind, die locale Behandlung grossen Nutzen gewähren kann,
indem sie wenigstens die Quelle noch weiterer Infection abschneidet. Man
excidirt hier entweder das Krankhafte und ätzt den Grund, oder man sticht
einfach die Blasen an, nimmt die Brandjauche durch Abtupfen oder Schröpf-
köpfe hinweg, und ätzt direct. Im Allgemeinen ist es auch hier nützlicher,
die chemischen Aetzmittel zu wählen, da das Glüheisen zu oberfläch-
lich wirkt; nur bei frischeren Wunden oder sehr oberflächlichen Verän-