Rotzkrankheit der Thiere, 407
und des Wurmes grosse Differenzen bestanden haben und verschiedene
Beobachter offenbar verschiedene Zustände unter demselben Namen ver-
einigten*). Statt die alten Discussionen über Contagiosität oder Nichtcon-
tagiosität der Krankheit fortzusetzen, hat man sich allmählich dahin geei-
nigt, nur diejenigen Processe alsRotz und Wurm zuzulassen,
welche ein Contagium und zwar dasselbe Contagium ent-
wickeln. Rotz und Wurm wären daher im Wesentlichen dieselbe Krank-
heit, nur dass sich ihre Erscheinungen bald nach der einen, bald nach
der anderen Seite. hin stärker entwickeln. Beide können in acuter und
chronischer Form verlaufen und bald rein oder einfach, bald mit einander
complieirt sein, so dass sich der Rotz aus dem Wurm entwickelt, oder
dass sich neben dem Rotz Wurm ausbildet. Man unterscheidet daher ne-
ben dem eigentlichen Wurm noch den gutartigen Wurm, eine an den .
Lippen, dem Halse und den Extremitäten vorkommende tuberöse und auch
wohl ulcerirende Hautaflection, und ebenso neben dem eigentlichen Rotze
die Druse (Morbus glandulosus, Rhinitis catarrhalis e. Adenitide subma-
xillari) und den Strengel (Coryza s. Rhinitis catarrhalis chronica). Das
Kriterium liegt einerseits in der Anwesenheit und Besonderheit des Con-
tagiums, andererseits in der Beschaffenheit der anatomischen Producte.
Betrachten wir zunächst die letzteren.
$. 75. Sowohl beim Rotz, als beim Wurm findet sich eine gleich-
artige, anatomische Veränderung. Diese besteht nicht nothwen-
dig, wie man früher gewöhnlich annahm, in einer Geschwürsbildung, auch
nicht, wie man später schloss, in einer besonderen Exsudation, sondern
vielmehr in der Eruption eigenthümlicher Knoten, der Rotz- und Wurm-
knoten, welche späterhin allerdings sehr gewöhnlich in Verschwärung
übergehen. Diese Knoten entstehen sowohl auf der Nasenschleimhaut
(eigentlicher Rotz), als in den Lymphdrüsen und der Haut (Wurm),
in den Lungen (Lungenrotz) und in den verschiedensten inneren Organen.
Auf der Höhe ihrer Entwicklung fand ich sie immer bestehend aus einer
homogenen, gelbweissen, trockenen, ziemlich derben, etwas brüchigen,
käsig aussehenden Masse, welche auf der Nasenschleimhaut gewöhnlich
Hanfkorn- bis Erbsengrosse Knoten bildet, die bald einzeln, bald gruppirt
stehen, während in den Wurmbeulen grössere Anhäufungen käsiger Mas-
sen stattfinden. Diese Substanz hat in der That die grösste Aehnlichkeit
mit Tuberkel, und wenn die Natur des Tuberkels in dem gesucht werden
dürfte, was ich (Bd.I. Abschn. ID) als anämische Nekrose bezeichnet habe,
so würde man die Doctrin von Dupuy, dass der Roiz eben nur eine Art
von Tuberculose darstelle, sofort acceptiren müssen. Die mikroskopische
Untersuchung ergibt gleichfalls gewöhnlich eine mehr amorphe, körnige
oder bröcklige Masse, untermischt mit bald mehr, bald weniger erhaltenen
zelligen Elementen, einzelnen Faserbestandtheilen, vielen kleinen Fettkörn-
chen, kurz jenen Detritus, den wir bei der käsigen (tuberkelarligen, phyma-
toiden) Metamorphose der verschiedenartigsten Gebilde antreffen.
$. 76. Ein eigenthümliches Exsudat als Blastem dieser Knoten lässt
sich kaum nachweisen. Auf der Nasenschleimhaut besteht von Anfang an
neben der knotigen Eruption ein mehr oder weniger heftiger Catarrh, der
jedoch nicht gleichmässig verbreitet zu sein pflegt, sondern am acutesten
*) Vgl. den Bericht des Pariser Conseil de Salubrite vom 12. Oct. 1839 an den Poli-
zeiprälfecten , verfasst von Parizet, Juge, Emery, Guerard und Huzard
(Recueil 1840. T. XVII. p. 224).