Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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Rotzkrankheit des Menschen. 413 
ist es im höchsten Maasse zweifelhaft, ob man als leizien Grund eine 
humorale Veränderung betrachten dürfe, oder ob nicht die Krankheit pri- 
mär einen ganz localen Sitz hat, von wo aus erst allmählich eine Verun- 
reinigung des Blutes stattfindet. 
Eine solche Auffassung scheint nun freilich widerlegt zu werden 
durch die Experimente der französischen Untersucher, namentlich von 
Renault und Bouley (Recueil 1840. p. 257), welche durch Injec- 
ion unverdächliger, eiteriger Massen in die Venen des Pferdes Rotz mit 
allen Eigenthümlichkeiten, namentlich mit charakteristiischer Nasenaffeetion 
hervorgebracht haben wollen. Indess abgesehen davon, dass diese Ver- 
suche durch eine sorgfältigere Controlle verfolgt werden müssen, so würde 
dadurch nur die Frage von der specifischen Natur des Rotzgiftes 
aufgeworfen werden, ganz in ähnlicher Weise, wie wir dieselbe bei der 
Hundswuth zu behandeln hatten ($. 22, 3). Gewiss ist nicht jeder Eiter 
im Stande, durch blosse Berührung mit einer exeoriürten oder verwüunde- 
ten Fläche die Erscheinungen des Rotzes hervorzubringen, weder beim 
Pferde, noch beim Menschen. Allein es wäre allerdings möglich, dass 
eine Substanz, welche in gewöhnlichem Eiter in verschwindend kleiner 
Menge oder in sehr wenig energischem Zustande vorhanden ist, beim 
Rotz in sehr concentrirter Form und mit grosser Virulenz auftritt. Jeden- 
falls würde daraus nichts gegen die oft locale Entstehung des Roizes fol- 
gen, da eine Resorption der local gebildeten, virulenten Massen eine se- 
eundäre Infektion der ganzen Blutmasse und damit den acuten Roiz zu 
erzeugen sehr geeignet sein dürfte. 
$. 85. Damit stimmt der ganze Verlauf der Krankheit wohl überein. 
Gewöhnlich ist dieselbe eine nıehr chronische und selbst bei den acuten 
Formen erfolgt der Tod doch gewöhnlich nicht mit der Schnelligkeit, wie 
bei der Hundswuth und dem Milzbrande; die Dauer der Krankheit beträgt 
auch da gewöhnlich mehr als eine Woche, seltner nur 5—6 Tage, wäh- 
rend sie bei der chronischen Form Monate, ja Jahre ausfüllt. Mehr oder 
weniger früh gesellt sich ein Fieber hinzu, das in den chronischen Fäl- 
len mehr den Charakter des hektischen annimmt und offenbar zum STÖSS- 
ten Theile durch die Localaffeetionen unterhalten wird. In den acuten 
Fällen ist es dagegen nur Anfangs ein inflammatorisches, später stets mehr 
ein typhöses oder fauliges Fieber, das wohl von der wirklichen Infection 
der Blutmasse und von einem direeten Ergriffensein des Nervensystems 
abhängt. 
B. Die Rotzkrankheit des Menschen. 
$. 86. Die Kenntniss der Rotzkrankheit beim Menschen ist eine re- 
lativ sehr neue. Noch in den ersten beiden Decennien dieses Jahrhun- 
derts hielten diejenigen, welche die Gefahr einer durch Rotzmäterie ver- 
unreinigten Wunde besprachen, das Uebel mehr für ein locales und stell- 
ten es mehr in die Kategorie anderer unreiner Wunden, aus denen 
schliesslich lebensgefährliche Zufälle resultiren können (Lorin, Waldin- 
ger, Sidow, Henckel). Es ist hauptsächlich das Verdienst der preus- 
sischen Militärärzte, eine ausgedehntere Kenntniss der Krankheit hergestellt 
zu haben. Nachdem der Regimentsarzt Schilling in Berlin 1821 den 
ersten, wohl constatirten Fall publieirt und Rust sofort einen zweiten, 
von Dr. Weiss in Neumarkt beobachteten angeschlossen hatte, folgten 
eine Reihe von Mittheilungen von Seidler, Wolff, Grossheim, Eck, 
Brunzlow, Lesser u. A. Ziemlich um die gleiche Zeit wurde auch in 
  
 
	        
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