424 Simon, Syphilis.
Ursprung und Alter der Syphilis.
$. 3. In gründliche historisch - kritische Untersuchungen über Alter
und Ursprung der Syphilis einzugehen, verbietet der Raum und der Cha-
rakter dieses Werkes. Wer die verschiedenen Meinungen darüber näher
kennen zu lernen wünscht, den müssen wir auf die in der Literatur zur
Geschichte genannten Autoren, namentlich auf Astruc, Sanchez,
Hensler, Gruner, Sprengel, Thiene, Rosenbaum, Gauthier
verweisen. Wir können hier nur die Hauptansichten anführen und das
Resultat, zu dem wir durch eigne, vergleichende Forschung gelangt sind.
$. 4. Die älteste Meinung war die, dass die Lusiseuche aus allge-
meinen epidemischen Ursachen entstanden sei, und sich in Folge ungün-
stiger Witterungsverhältnisse, starker Sommerhitze, Austreten der Flüsse,
namentlich in Italien, wozu noch Kriegselend und Hungersnoth kam, um
das Jahr 1493 oder 1494 entwickelt habe. Im Geiste der damaligen Zeit
wurden auch noch, sowohl vom Volke, als den Gelehrten unglückliche
Constellationen der Planeten zu Hülfe genommen, aus welchen man neue
Seuchen prophezeite. Einige gelehrie Aerzte, welche aus den Schriften
der ältern Arabisten die Schilderungen des Aussatzes kannten, wie er sich
vom 12. bis 14. Jahrhundert gestaltete, waren geneigt im Morbus gallicus
nur eine besondere Modifikation des alten Aussatzes zu erblicken. Sie
verglichen ihn mit den herpetischen, pustulösen, kondylomatösen un dge-
schwürigen Formen der Lepra, mit der Formika, dem Bothor, dem
Saphali und Tusius*) der arabischen Aerzte. Der wüste, aber geniale
Parcelsus hielt den Morbus gallieus für eine Complication der Lepra
mit der Cambucea, worunter er ein unreines Genitalgeschwür ver-
stand. Aus diesen zweien Aussätzen, dem öffentlichen, wie er ihn nennt,
und aus dem geheimen ‚in loco vulvae“ entstehen nach ihm die Franzo-
sen, wie aus Ross und Esel ein Maulesel entsteht. Die Cambucca habe
der Lepra die französische Tinktur gegeben, woraus Lepra cambuceina
entstanden, in die sich nun der alte Aussatz verloren und geendet habe,
der eigentlich die wahre Mutter der Blattern, d.h. der
srosse verole sei.
$. 5. Bis zu den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts waren also nur
darüber die Meinungen getheilt, ob die Lustseuche eine neue, eigenthüm-
liche Krankheit, oder ob sie nur ein modifieirter Aussatz sei. Erst um
diese Zeit wurde, hauptsächlich durch den spanischen Priester Oviedo,
die Meinung verbreitet, dass die Syphilis aus Amerika nach Italien ver-
schleppt worden, und zwar durch Individuen, die mit Columbus die Ent-
deckungsreise gemacht und unter dem spanischen General Cordova nach
Neapel gekommen sein sollten. Obgleich die ganze Geschichte des Ur-
sprungs der Lustseuche aus Amerika näher beleuchtet, als grundlose Fa-
bel erscheint, so wurde sie doch lange als wahr angenommen, und fand
noch an Freind, Astruc, van Swieten, Girtanner, Bosquil-
lon, Gibert und Anderen eifrige Vertheidiger. Selbst Gau thier, einer
der neuesten kritischen Geschichisforscher, will zwar die Meinung vom
amerikanischen Ursprung der Seuche nicht vertheidigen, meint aber doch,
sie sei zu leichtsinnig ganz über den Haufen geworfen. Das ist nun wohl nicht
der Fall. Im Gegentheil haben Sanchez, Hensler, Thiene den westin-
*) Der Sinn dieses verstümmelten Wortes entspricht dem Thymium der alten griechi-
schen und römischen Aerzte, „Ihymium“ sagt Celsus, „nominatur, quod supra
corpus quasi verrucula eminet — subdurum et in summo perasperum,“ (Lib, V.
cap. 28. 14.)
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