434 Simon, Syphilis.
zeugt. Eben so werden die Condylome auch durch den Beischlaf fortge-
pflanzt, was freilich Ricord abermals in Abrede stellt. Aber die Condy-
lome oder das Feigwarzensiechthum ist.uralt und die Contagiosität des-
selben geht schon aus den lasciven römischen Dichtern hervor. Bekannt
ist die berüchtigte Stelle im Juvenal:
sed podice laevi
Caedundur tumidae medico ridente mariscae.
Die Condylome an den Geschlechtstheilen und am Gefäss sind als
hybride Formen der venerischen Ansteckung zu betrachten und bildeten,
gleich dem Tripper und den Genitalgeschwüren,, einen localen Reflex des
Aussatzes, als welcher sie auch von den Wundärzten des Mittelalters be-
trachtet wurden.
6) Bis auf John Hunter bezweifelte man die Contagiosität der se-
cundären Symptome nicht, welche schon die Aerzte im 16. Jahrhundert an-
erkannten. Hunter aber wollte durch Impfung mit Eiter aus secundären
syphiliischen Symptomen, als Haut-, Hals- und Knochengeschwüren, ge-
zeigt haben, dass sie nicht übertragbar seien. Trotzdem bleibt die Conta-
giosilät des Eiters und Schleimseerets der secundären Symptome, wenn
sie auch vielleicht beschränkter, langsamer und anders wirkt, als das der
primären syphilitiischen Geschwüre, nach alter und neuer Erfahrung keinem
Zweifel unterworfen. Es sprechen dafür die Beobachtungen, dass mit Mund-
geschwüren behaftete syphilitische Kinder die Ammen mit gleichen Ge-
schwüren an den Brusiwarzen und darauf folgenden secundären Sympto-
men anstecken und umgekehrt, Ammen durch Geschwüre an den Brust-
warzen die Seuche auf Säuglinge übertragen. Es spricht dafür die Fort-
pflanzung der Syphilis durch das Aussaugen der Brustwarzen, die Infec-
tion der Kinder beim Act des Beschneidens, die Ansteckung zwischen Er-
wachsenen durch laseive Küsse, bei vorhandenen secundären Mund- oder
Rachengeschwüren. Es spricht dafür die, freilich von manchen Aerzten
geläugnete, Erblichkeit der Lusteuche*), sowie die, leider nicht so seltenen
Fälle, dass junge Ehefrauen von ihren an allgemeiner Syphilis leidenden
Männern angesteckt werden.
Alle diese durch erfahrne Aerzte beglaubigten Thatsachen suchte
neuerdings Ricord, in Hunters Fussstapfen tretend, umzustossen und
als Resultat falscher Beobachtung in Zweifel zu ziehen. Daraus, dass das
Secret secundärer Symptome, an irgend einer Körperstelle des schon Be-
hafteten eingeimpft, in der Regel keine Folgen hat, schloss er voreilig auf
Nichteontagiosität der seeundären Symptome überhaupt. Aber Wallace
in England, Vidal in Frankreich, Waller in Prag impften Gesunde mit
dem Secret von secundären Symptomen und erwiesen durch, vor dem
Forum der Humanität und des ärztlichen Gewissens kaum zu rechtfertigende
Versuche, die nur zu gewisse Contagiosität derselben. Vergebens hat
Ricord durch gesuchte und subtile Einwendungen die Beweiskräftigkeit
dieser Versuche bestritten.
7) Die primären Schanker zeigen nicht immer gleichen Verlauf und
gleiche Form; man unterscheidet einfache, indurirte, phagedänische und
gangränöse Schanker, und jede dieser Formen soll nach Carmichael
eine besondere Art von secundären Symptomen nach sich ziehen. Den
ersten Grund zu dieser Idee oder zur Annahme eines mehrfachen Schanker-
*) Oder richtiger vielmehr die angeborne Lustseuche, wo der Foetus schon im
Mutterleibe von dem auf ihn übertragenen Virus zerstört, oder auch zur Reife ge-
langt, verkümmert und mit syphilitischen Symptomen behaftet, geboren wird, oder
diese auch wenige Wochen und Monate nach der Geburt zum Vorschein kommen,