456 Simon, Syphilis.
lose Diät unterstützt wird. Wirkliche Roborantia und Tonica, wie z. B.
China und Wein, sind während einer solchen Kur nur ausnahmsweise am
rechten Orte, wenn auch Ricord meint, dass schwache, Iymphatische
Individuen einer guten, kräftigen, tonischen Nahrung zur Heilung bedürfen
und dass eine Entziehungskur nur ihre Krankheit vermehre. Durch Ent-
ziehungskur allein die Syphilis tilgen zu wollen, bleibt freilich immer ein
. zweideutiges, unsicheres Heilverfahren. Die Symptome können allerdings
temporär dadurch gedämpft werden, aber, wie schon Paracelsus sagt,
so dem Leib die Stärke wiederkommt, so kommt auch die Stärke der
Krankheit wieder und ist ärger denn zuvor.
$. 53. IL Körperliche Ruhe. Diese Bedingung resullirt schon
zum Theil aus der ersten. Ein schwach und karg genährter Mensch muss
sich um so ruhiger verhalten, theils weil körperliche Anstrengung sich
nicht mit körperlicher Diät verträgt, theils weil sie, ihn um so stärker an-
greift und in eine schädliche Aufregung versetzt; theils endlich, weil man-
che Uebel, z. B. entzündliche Genitalgeschwüre, Bubonen, Hals- oder
Beingeschwüre durch körperliche Anstrengung und Bewegung sich ver-
schlimmern. Darum ist für manche Fälle beständige horizontale Lage im
Bett oder auf dem Sopha nützlich und sogar nothwendig. In der Privat-
praxis stösst man hier nur oft auf Schwierigkeiten, die aus den Lebens-
und Geschäftsverhältnissen des Patienten hervorgehen, wodurch aber auch
die Behandlung und Heilung der Syphilis wesentlich erschwert und in die
Länge gezogen wird. So ist es keine Frage, dass selbst eine entzündliche
Gonorrhoe sich schneller und leichter heilen lässt, wenn man den Kran-
ken im Zimmer und ruhig liegend halten kann. Aber wie selten lässt
sich das in der Privalpraxis durchführen!
$. 54. II. Eine möglichst gleichmässige, warme Tempe-
peratur und reine Luft. Dass in wärmeren Klimaten die Syphilis im
Ganzen milder verläuft, ist eine alte Erfahrung, die Leo Africanus so weit
ausdehnt, dass er durch den längeren Aufenthalt in Numidien oder den Ne-
gerländern viele Menschen geheilt gesehen haben will. In solchen Fällen ist
aber wohl Dämpfung der Lues mit wirklicher Heilung verwechselt worden.
Eine warme Temperatur von 16—20 Grad Reaumur bleibt also wenigstens
ein mächtiges Adjuvans jeder Kur, besonders beim Gebrauch des Queck-
silbers, der Holztränke oder des Zittmann’schen Decoets. Es kommt aber
nicht allein auf Wärme der Luft an, sondern auch auf Reinheit derselben,
was besonders für Spitäler gili, und dass man nicht zu viel syphilitische
Kranke in einem Zimmer anhäufe; denn eine solche Anhäufung zieht un-
vermeidlich animalische Luftverderbniss nach sich und erschwert die Hei-
lung, besonders bei Geschwüren und Bubonen, die leicht unter diesen Um-
sländen phagedänisch werden. Deswegen gewährt auch, wie Bonorden
richtig erinnert, die Anwendung des Quecksilbers in der Spilalpraxis keine
so günstigen Resultate, wie in der Pıivatpraxis, weil durch das Zusammen-
sein vieler mit Speichelfluss behafteter Kranken die Luft förmlich vergiftet
wird. Derselbe Uebelstand findet sich aber auch bisweilen in der Privat-
praxis bei armen Leuten, die in engen, dumpfen, schlecht gelüfteten Kam-
mern wohnen. In solchem Falle muss man die Kranken, wenn sich ihre Aus-
schläge und Geschwüre nicht bessern wollen, oder letztere jenes schlaffe,
missfarbige Ansehen annehmen, was in verdorbener Luft gewöhnlich ge-
schieht, an die Luft schicken, wofern die Witterung es irgend gestattet.
So werden manche Kranke, deren Symptome sich nicht bessern und de-
ren Geschwüre nicht heilen wollen, mit günstigem Erfolg aus der Stadt