Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
458 Simon, Syphilis. 
kali, was, obgleich es nicht für alle Formen und alle Stadien der Syphi- 
lis geeignet ist, gleichwohl von manchen Praktikern fast ausschiesslich an- 
gewendet wird. 
Jede dieser Methoden, jedes dieser Mittel ist anwendbar und nach 
Umständen heilsam; keine dieser Methoden, keines dieser Mittel kann 
auf ausschliesslichen Gebrauch Anspruch machen; keines ist überall 
wirksam, keines, selbst das Quecksilber nicht, das souveraine Mittel für 
ir Formen und Fälle von Syphilis. Die wahre Kunst des Arztes, das 
wahre Heil der Kranken beruht auf einer gehörigen Combinalion der ge- 
es Methoden und Mittel, deren Wirkung sich gsegenseilig unterstützt, 
so dass der mangelhafte Erfolg des einen, durch den Vor oder N Nachge- 
brauch des anderen gedeckt "und ergänzt wird. Die Regeln daher, die 
wir über die rechizeilig Anwendung. der eben erwähnten Heilmethoden 
und Heilmittel nach eigner und viel: ähriger Erfahrung aufstellen, lauten 
folgendermaassen: 
8. 58. Hat man einen frischen Fall von eonstitutioneller Syphilis vor 
sich — die primären Symptome mögen mit oder ohne Quecksilber behan- 
delt sein — so fange man immer mit der mildesien Heilmethode an, be- 
sonders wenn die seeundäreı n Symptome leichter und gutarliger Natur sind: 
wenn sie z. B. nur in oberflächlichen Halsgeschwüren und den leichteren 
Formen der syphilitischen Hautausschläge bestehen. Es sind dies die 
Fälle, wo. häufig Diät, Ruhe und der gleichzeitige Gebrauch von abführen- 
den Mitteln, von Sarsaparilledecocten, von den Spee. lignor. mit oder ohne 
Jodkali zur Heilung genügen. Will man vom Quecksiber Gebrauch ma- 
chen, so passen für solche Fälle Calomel, Sublimat oder Merc. gumm. Pl. 
in steigenden Gaben. Dass das jetzt vorzugsweise empfohlene Jodqueck- 
silber etwas Besonderes Unsir haben wir nicht bemerken können, wohl 
aber, dass es von manchem Magen nicht gnt vertragen wird. Tadelns- 
werih scheint uns jedenfalls die Rieord’ sche Gebrauchs sformel, die neben 
est andern Narcotieis zu viel Opium enthält. — Erfolgen nach einer sol- 
chen vier- bis sechswöchentlichen Behandlung Recidive, oder gelingt es 
damit kaum die sichtlichen Symptome vollstä ndig zu beseitli ligen, dann kann 
man zum Jodkali oder zum Zillmann’schen Decoct greifen, in dessen kunst- 
gemässer und strenger Handhabung eigentlich nur das Quecksilber mit der 
Entziehungskur und der schweisstre ibenden und abführenden Methode ve- 
bunden ist. Uebrigens wundere man sich nie über Reeidive nach den 
leichteren Behandlungswei sen, die häufig nur palliativ wirken, und schliesse 
deswegen nur nicht gleich mit Ricord, dass die Reeidive zum Wesen 
der Lues gehören und diese überhaupt nicht gründlich tilgbar sei. Die 
syphilitische Dyskrasie ist nicht immer so leicht zu bezwingen; daher 
kommen Recidive nach jeder Behandlungsweise vor, selbst nach der 
zweckmässigsten und kräftigsten. In letztem Falle hängen sie von indivi- 
dueller Hartnäckigkeit ab, oder von einer besondern Intensilät des An- 
steckungssioffes. Gewöhnlich geben nun die Mercurialisten die Recidive 
einer früheren, nichtmercuriellen Behandiung schuld, und die Antimer- 
eurialisten einer früheren mereuriellen. Die Erfahrung aber lehrt, dass 
Beide Unrecht haben; denn eine nich tmercurielle Behandlung heilt oft 
gründlich, was eine frühere, selbst methodische Merecurialkur ungeheilt ge- 
lassen, und umgekehrt heilt oft eine methodische Mercurialkur, was eine 
frühere nichtmercurielle Behandlung nur temporär gedämpft hat. Wir 
setzen dabei immer voraus, dass jede Behandlungsweise in ihrer Art me- 
thodisch durchgeführt worden ist; denn jedes unvollständige, unmethodi- 
sche Heilverfahren, sei es, dass das Hauptagens zu schwach oder die
	        
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