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Geschichte der Behandlung. 461
die Kranken mit zusammengesetzten Quecksilbersalben über dem ganzen
Körper eingerieben, bis der hefligste Speichelfluss eintrat, der dann oft die
schlimmsten Folgen hatte, um so mehr, als diese Inunctionskuren roh, un-
methodisch und ohne Berücksichtigung der Individualität durchgeführt wur-
den. Viele Kranke wurden daher ein Opfer derselben und eben so viele
blieben trotz allen ausgestandenen Martern ungeheilt, wie wenigstens Ull-
rich von Hutten erzählt, der diese furchibare Kur eilfmal durchge-
macht haben will. — Mit mehr Vorsicht scheinen sich einzelne Aerzie
dieser Kur bedient zu haben, wie z. B. Marinus Brocardus (1499),
der eine Quecksilbersalbe empfiehlt, die man sich in einem warmen Zim-
mer vor dem Feuer einreiben soll. Wenn der Mund darnach angegriffen
werde, so soll man sich gewisser Gurgelwasser und des Rosenhonigs be-
dienen. Am zweckmässigsien erscheint die Einreibungskur, wie sie der
Spanier Almenar (1502) empfiehlt, und die sich wahrscheinlich auch auf
die methodische Anwendung der schon im 13. Jahrhundert gebräuchlichen
Saracenensalbe gründet. Almenar geht von der Ansicht aus, dass
es nicht genüge, die Ausschläge und den Schmerz zu beseitigen; diese
seien nur symptomalisch. Die innere Krankheit — was wir jetzt syphili-
lische Dyskrasie nennen — sei erst zu beseitigen. Man solle die Heilme-
thode der Empiriker mittels der Einreibungen und die der Aerzte mit
Ausführungen verbinden; so werde man eine gründliche Kur bewerkstel-
ligen. Sei die Heilung auch zu Zeiten auf einem dieser Wege gelungen,
so Sei das Uebel nur leicht gewesen und die Natur habe den Mangel an
Kunst ersetzt; aber kein bedeutendes Uebel werde man ohne jene Ver-
bindung, ohne regelmässige Kur heilen. Im Ganzen war das die richtige
Ansicht und die richtige Meihode, aber man kann leicht denken, dass sie
weder von den meisten Aerzien noch den rohen Empirikern begriffen und
ausgeübt wurde. Die Zahl der praktischen Aerzte, welche sich auf die
Anwendung des Quecksilbers und namentlich der Einreibungskur verstan-
den, war im ganzen 16. Jahrhundert verhältnissmässig gering. Unter den
Vielen, die bis zur Mitte des gedachten Jahrhunderts von der Syphilis ge-
schrieben haben, sind vielleicht kaum zwanzig, die mit dem richtigen
Quecksilbergebrauch vertraut erscheinen.
$. 64. Die meisten Aerzte blieben Gegner des Metalls, und daraus
erklärt es sich, dass die Kurmethoden mit den exotischen Holztränken so
eifrige Aufnahme bei ihnen fanden und an vierzig Jahre (von 1518 bis
1560) prädominirten, als die „Via regia ad sanandum morbum gallicum.“
Die Holztränke, zuerst (1518) das Dee. lign. Guajaei, später in Verbindung
mit der Rad. Sarsap. und Chin. nodos., zu denen noch eine Unzahl ande-
rer Pflanzenmiltel hinzukam, wurden in ungeheuren Quantilälen getrunken
und Abführungen dazwischen geschoben. Die Kranken mussten dabei im
Bette liegen, stark schwitzen und eine äusserst strenge Diät, eine förmliche
Hungerkur beobachten. Die ganze Kur dauerte gewöhnlich vierzig
Tage, weshalb sie auch bei den Layen als Quadragesima poenitentialis
bekannt war. Dass Manche dadurch geheilt, bei Vielen die Seuche we-
nigstens gedämpft‘ wurde, lässt sich kaum bezweifeln; dass aber eben
so. Viele ungeheilt blieben, geht aus dem Geständniss eines ihrer eifrig-
sten Lobredner, des berühmten Faloppia hervor, und schon im Jahre
1538 macht Alphons Ferro die Bemerkung, in seinem Buche „De ligno
„sanclo: ad inuncliones mercuriales veniendum est, postquam ex medi-
„eina ligni sancti bis terve sumpta cognilum fuerit aegroios non convales-
„tere.“ Beinahe 30 Jahre später (1564), wo offenbar der grosse Ruf der
Holzkuren schon im Sinken war, erinnert Fracastoro, dass seit eini-