466 Simon, Syphilis.
stallet sich die Heilung der secundären Symptome; hier bewirkt das simple
treatment allzu oft nur temporäre Dämpfung, und endlose Recidive sind
etwas Gewöhnliches. Ebenso wenig ist es gegründet, dass die consecu-
tiven Symptome nach der einfachen Behandtung seltner seien als nach
der mercuriellen. Die Mereurialisten behaupten das Gegentheil und viel-
leicht nicht ganz mit Unrecht, obgleich wir unsererseits die prophylactische
Wirksamkeit des Quecksilbers nicht so hoch anschlagen. Die angebliche
Milde der secundären Symptome ist sehr zweideutiger Natur, wenn sich
auch beim simple treatment die Syphilis seltner auf die Knochen wirft.
Nicht selten stellt sich stait dessen allgemeiner Verfall der Gesundheit ein,
auffallende Abmagerung und Kachexien, die gerade nicht das characteri-
stische Gepräge der Syphilis an sich tragen, aber den Kranken unter der
Form von Hektik, Lungenleiden mit trocknem Husten, Gelbsucht, Wasser-
sucht langsam dem Grabe entgegenführen. Solche Erfahrungen hat auch
Colles gemacht. Ja, wir selbst haben nach der einfachen Behandlung
sehr langwieriger primärer Geschwüre ein tödtliches Gehirnleiden auitreten
sehen, was nur zu wahrscheinlich von einer syphilitischen Ablagerung auf
das Gehirn herrührte, und in einem anderen Falle führte die hartnäckig
forigesetzie nicht mereurielle Behandlung secundärer Syphilis zu einem
Kopfleiden mit geistiger Verstimmung, was mit Selbstmord endigte.
$. 75. Wir sind aber deswegen nicht gemeint das Kind mit dem
Bade auszuschütten. Die einfache Behandlung der primären Syphilis hat
dem Missbrauch des Quecksilbers heilsame Grenzen gestellt und in einem
Umfange, wie früher nie, gelehrt, dass das Metall bei den meisten primä-
ren Geschwürsformen entbehrlich und secundäre Symptome nach der
nicht mercuriellen Behandlung wenigstens nicht schlimmer und nicht
merklich häufiger auftreien, als nach der mercuriellen. Eben so ist die
Erfahrung wohl zu beherzigen, dass die milderen Formen der secundären
Syphilis ebenfalls öfter ohne Quecksilber gründlich zu beseiligen sind.
Bleibt man vernünftigerweise dabei stehen und beharrt nicht eigensinnig
beim simple treatment, wenn die Syphilis sich dagegen rebellisch zeigt und
die Recidive sich häufen; so wird man so leicht keinen Schaden damit
stiften. Wenn man aber eigensinnig bei den nicht mercuriellen Heilme-
thoden beharrt und den Kranken Monate- und selbst Jahre lang gleichsam
planmässig kasteit und entkräftet, um zu versuchen ob man ihn nieht auch
ohne Quecksilber herstellen könne, dann zerrüttet man oft seine Constitu-
tion weit mehr als durch einen zweckmässigen Quecksilbergebrauch. und
ohne der syphilitischen Dyskrasie Herr zu werden, die den Kranken dann,
wie schon gesagt, unter der Maske scheinbar gar nicht damit verwandter
Leiden schleichend aufreibt.
Behandlung der Syphilis mit Quecksilber; ihre Vortheile
und Nachtheile.
S. 76. Schon in den ersien Jahren nach dem Ausbruch der Syphi-
lis wendeten, wie wir gehört haben, dreiste Empiriker und einzelne Aerzte
das Metall in Salbenform an, und so vielSchaden es auch in ungeschick-
ten Händen gestiftet, so viel Gegner es deswegen auch gefunden; so hat
es sich doch wegen seiner unverkennbaren, gewissermassen specifischen
Wirksamkeit im Laufe von bald 400 Jahren nie ganz aus der Praxis ver-
drängen lassen. Selbst der grossartigste Anlauf dazu in der neuesten
Zeit ist misslungen, und wir sind hoffentlich mit grösserer Vorsicht und
Beschränkung, zu seinem Gebrauch zurückgekehrt. Es war und bleibt