Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
34 Falek, die klinisch wichtigen Intoxikationen. 
werden, sondern durch den After in das Rectum, oder in das Unterhaut- 
zellgewebe des Rückens applieirt. Im letztern Falle bemerkt man höch- 
stens nach Verlauf von 35—60 Secunden die entfernten Wirkungen der 
Gifte und zum Beweis, dass dieselben in dem Blut fortgeführt wurden, 
kann man an dem Athem der Thiere den Blausäuregeruch wahrnehmen. 
Noch besser vielleicht lassen sich die Zeiten, in welchen die entfernten 
Wirkungen der Blausäure eintreten bei Fröschen abmessen, bei welchen 
man mit schicklichen Schnitten den Brustkorb öffnet und das Herz zu Tage 
legt. Bringt man, nachdem die präparirten Thiere gehörig befestigt sind, 
einen mit Blausäue getränkten Pinsel durch die verletzte Haut des Ober- 
schenkels, so vergeht längere Zeit, ehe das Herz zur Häsitation oder zur 
Lähmung kommt, jedenfalls ebensoviel Zeit, als zur Resorption und zum 
Transporte des Giftes bis zu dem Herzen hin nöthig ist. Nach diesen Er- 
gebnissen sorgsamer Untersuchungen darf man aber die sogenannte blitz- 
artige oder augenblickliche Wirkung der Blausäure im Allgemeinen als 
übertrieben erklären. Wo die Blausäure, oder ein ähnliches Gift in we- 
niger als 30 Secunden entfernte Wirkungen zu Stande brachte, da lässt 
sich annehmen, dass das Gift durch die Lungen zu dem Herzen hinge- 
führt wurde, was begreiflich eine so kurze Wegstrecke ist, dass sie in 
weniger als 30 Secunden zurückgelegt werden kann. 
8. 67. Für das nervöse Zustandekommen entfernter Giftwirkungen 
hat man 2) die Behauptung aufgestellt, dass Gifte entfernte Wirkungen 
zu Stande bringen, ohne dass die applizirte Quantität derselben eine merk- 
liche Einbusse an Masse erlitten hätte. So führt man namentlich einen 
Versuch von Herrmann Boerhaave an, der einen Hund nach der 
Einverleibung einer 30 Gran schweren Opiumpille in Intoxikation fallen 
sah und der bei der Section eine 29 Gran schwere Pille wieder vorfand. 
Offenbar beweist aber dieser meines Wissens nicht wiederholte Versuch 
höchstens nur soviel, dass ein Hund durch 1 Gran Opium vergiftel wer- 
den kann, aber in keiner Weise das Zustandekommen entfernter Giftwir- 
kungen durch Vermittelung der Nerven. Und in der That kann man sich 
durch die schlagendsten Experimente davon überzeugen, dass bis zu dem 
Eintritte entfernter Wirkungen das an der Applikalionsstelle angebrachte 
Gift an Masse abnimmt, ja man kann, wie wir noch ausführlicher darle- 
gen werden, das an der Applikationsstelle geschwundene Gift durch die 
Säfte und Organe des Körpers weithin verfolgen. 
8. 68. 3) Hat man das Zustandekommen enifernter Giftwirkungen 
durch die Behauptung zu stützen versucht, dass Vergiftung unter Um- 
ständen einträte, welche eine Resorption der Gifte unmöglich machten. 
Als Beleg für die Richtigkeit dieser Behauptungen führt man aber Versu- 
che von Morgan und Addison an, welche jedenfalls in höchst son- 
derbarer Weise angestellt wurden. Nachdem nämlich diese Forscher die 
Drosselader eines Hundes oben und unten unterbunden hatten, brachten 
dieselben in das isolirte Mittelstück einen mit Wooraragift gefüllten Feder- 
kiel und schlossen die Wunde. Als die obere Ligatur kurz darnach gänz- 
lich entfernt wurde, ging das Thier nach 2 Minuten unter Convulsionen 
zu Grunde. Indessen, was folgt aus diesem Versuche zu Gunsten der 
nervösen Entstehungsweise entfernter Wirkungen der Gifte? Konnten nicht 
nach Beseitigung der oberen Ligatur Diffusionsphänomene eintreten, woO- 
durch das Gift nach oben bis zu einer Stelle hinrückte, wo Venenanaslo- 
mosen das Gift aufnahmen und dem Herzen zuführten? Und konnte nicht 
das Gift durch die Venenwandungen’hindurch an die Nachbarschaft abge- 
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