Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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Giftes ein, zum Beweis, dass mit der Unterbrechung der Nervenleitung 
die fernen Wirkungen der Gifte nicht ausbleiben. 
$. 73. Geht aus der Musterung und Kritik der aufgeführten Argu- 
mente mit Bestimmtheit hervor, dass dieselben nicht zureichen die sym- 
pathische Entstehungsweise entfernter Giftwirkungen zu erweisen, so sind 
jetzt noch die Experimente anzuführen, welche das nervöse Zustande- 
kommen enifernter Giftwirkungen direct negiren. Wie es scheint, gehören 
dahin alle die zahlreichen Versuche, welche von Fontana, Segalas, 
Home, Wedemeyer, Mangili, Emmert, Krimer, Brodie, Wil- 
son, Jäger, J. Müller u. A. angestellt wurden. So experimenlirte 
Wedemeyer*) mit Blausäure, welche er auf den 2 Zoll lang frei prä- 
parirten Nervus medianus einer Katze, sowie auf den präparirten Nervus 
supraorbitalis eines Pferdes tupfte. Der berühmte Physiologe bemerkte 
darnach nicht die leiseste Spur einer entfernten Wirkung des Giftes. Bro- 
die unterband das Hinterbein eines Kanincheus mit Ausnahme des Nerven 
mit einer starken Ligatur und streute Woorara in eine Wunde am Bein, 
aber von entfernten Wirkungen des Giftes war niehis zu bemerken. Die 
instruktivsten Versuche wurden indessen von J. Müller *) in der Weise 
ausgeführt, dass die Extremität eines Thieres bis auf die Nerven und die 
Knochen völlig abgelöst wurde. Ist die Präparation gut gelungen, so 
wartet man vergebens auf entfernte Wirkungen des Giftes, nachdem das- 
selbe in die abgelöste Extremität eingeführt wurde. 
S. 74. Geht aus dem Vorhergehenden hervor, dass die Nerven zur 
Entstehungsweise entfernter Gifiwirkung als Leiter nicht beitragen, so ist 
denn doch noch die Frage zu beantworten, ob es überhaupt keine That- 
sachen gibt, welche beweisen, dass die Gifte im Contact mit der periphe- 
rischen Ausbreitung der Nerven andere als rein örtliche Wirkungen er- 
zeugen. Was auf diese Frage zu antworlen ist, dürfte sich aus dem Fol- 
genden leicht ergeben. Wie bereits oben dargeihan wurde, greifen viele 
Gifte an den Applikationsstellen in die Nerven ein und bewirken darin’ zu- 
nächst örtliche Alterationen. Bei der Blausäure, dem Opium, der Bella- 
donna u. Ss. w. ist die Folge davon eine örtliche Neurose, die als Anästhe- 
sie, Paralyse oder Vernichtung der Reizbarkeit sich kund gibt. Solche 
Gifte können somit nur örtliche Wirkungen veranlassen, keineswegs aber 
solche, bei welchen Strömungen in den Nervenbahnen zu den enifernten 
Organen vorausgesetzt werden. Anders aber verhält es sich mit den: rei- 
zenden Giften, wie z. B. mit dem Delphinin, Veratrin, dem Senföl, dem 
Cantharidin u. a. m. Bei der Applikation solcher Gifte wird die Alte- 
ration der Nerven, welche sich als Reizung kund gibt, durch die Nerven- 
bahnen weiter geleitet und diese Gifte vermögen daher entfernte Wirkun- 
gen durch Vermittelung der Nerven zu Stande zu bringen. Und in der 
That verspürt man nach der Applikation von Delphinin, oder Veratrin 
Formikation,, Kriebeln und Wuseln in den sensiblen Nerven, welche ihre 
Reizung fortpflanzen und selbst zu mancherlei Reflexwirkungen, als Spei- 
chelfluss und anderen Drüsenactionen Veranlassung geben. In der That 
bemerkt man ferner, dass Cantharidin, Senföl und andere Allylverbindun- 
gen auf die Haut applieirt durch den Nerven fortwirken und selbst auf 
die Bronchialschleimhaut und andere Theile der Brust und Unterleibsorgane, 
  
*) Untersuchungen über d. Nervensystem. Anhang Vers. 6. 9. 10, 
*”*) Physiologie Bd. 1. S. 610. 
 
	        
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