514 Simon, Syphilis.
ist ein alter Vorwurf, der namentlich die adstringirenden gewiss nicht ganz
mit Unrecht trift. Dass die caustischen in’ einzelnen Fällen, da sie die
Harnröhrenschleimhaut stellenweise verbrennen, ulceriren und zerstören,
dieselbe Wirkung haben können, ist nichl unwahrscheinlich und unmög-
lich, obgleich Strieturen von jeher ohne alle Einspritzungen vorgekommen
sind, und eben so gut vom langwierigen Tripper allein herrühren können,
der die Schleimhaut der Harnröhre am Ende auch theilweise desorgani-
sirt. Jedenfalls aber halten wir es für einen entschiedenen Missgriff, die
causlischen Einspritzungen immer und immer zu wiederholen, wenn da-
durch nichts erreicht wird als eine temporäre Beseiligung des Ausflusses.
Baumes hat gewiss nicht Unrecht, wenn er sagt: man solle niemals
vergessen, dass der Eindruck, den der Tripperstoff auf die Harnröhre
macht, von seiner virulenten Beschaffenheit herrührt. Indem nun die cau-
stischen Einspritzungen häufiger den Ausfluss unterdrücken als das Trip-
pervirus neutralisiren und zerstören, so kann es gar nicht ausbleiben, dass
sie entweder einen chronisch gereizten Zustand der Harnröhrenschleimhaut
herbeiführen und bisweilen zu Metastasen auf benachbarte Organe Anlass
geben. Diejenigen, welche die Abortivmethode auf den entstehenden Trip-
per beschränken, werden diese Nachtheile nicht so leicht herbeiführen,
aber diejenigen, welche sie auf alle Stadien des Trippers, ohne alle Be-
rücksichtigung der Individualität, ausdehnen. haben manchen unglücklichen
Ausgang dieses protreusarligen und tückischen Uebels zu verantworten.
$. 167. Abgesehen endlich von der Unzuverlässigkeit der Abortiv-
methode und ihren möglichen Nachtheilen, ist sie für den Kranken gar
nicht so angenehm und bequem, als ihre Vertreter sie darstellen. Die
caustischen Einspritzungen verursachen den meisten Patienten einen Höl-
lenschmerz, dem man sich allenfalls unterzieht, wenn es mit einer oder
einigen Einspritzungen abgethan wäre; aber wo liegt die Annehmlichkeit
und Bequemlichkeit dieser Methode, wenn die Injeclionen Monate lang
wiederholt werden müssen? Es mag auch sein, dass man in der Spital-
praxis günstigere Resultate damit erzielt — obgleich wir auch das nach
Vidal bezweifeln müssen — wo die Kranken sich ruhig verhalten und
im Bette bleiben können; wie oft kann man aber in der Privatpraxis den
Patienten wegen eines Trippers auf Stube und Bette beschränken? Und
doch ist körperliche Ruhe bei der Abortivmethode gewiss das dringendste
Erforderniss. Ein jeder Arzt, der eigne Erfahrung über den Gegenstand
hat, wird wissen, dass hartnäckige Tripper oft ohne alle Medicalion ver-
schwinden, wenn z. B. die Kranken wegen eines anderen gleichzeitigen
Uebels genöthigt sind, sich längere Zeit ruhig zu verhalten. Bisweilen
‘kehrt aber auch der Tripper wieder, sobald der Patient wieder ausgeht
und zu seiner gewohnten Beschäftigung und Lebensweise zurückkehrt.
Wir können demnach zufolge unserer Erfahrung, die von namhaften
Aerzten, wie Vidal, Hacker, Ingarden, Venot bestätigt wird, der
Abortivmethode das Wort nicht. reden. Sie hält das durchaus nicht, was
sie verspricht; sie verschlimmert bisweilen das Uebel, macht aus einem
indolenten einen schmerzhaften Tripper, begünstigt verdriessliche Neben-
zufälle und Nachwehen, und, statt den Verlauf des Uebels abzukürzen,
gibt sie oft Anlass zu den hartnäckigsten und langwierigsien Nachtrippern.
Behandlung des Trippers beim weiblichen Geschlecht.
&. 168. Für die Behandlung des weiblichen Trippers oder Fluor al-
bus virulentus gelten im Ganzen dieselben diätetischen und therapeutischen