530 Simon, Syphilis.
gen, obgleich freilich Ricord meint, dass dann ein Schankergeschwür
in der Harnröhre vorhanden gewesen und keine gewöhnliche Bienorrha-
gie. Schönleins Tripperseropheln, Tripperflechten, Trippertuberkeln,
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Trippernekrose und Neurose; Autenrieths Trippergeschwüre im Schlunde,
Munde, Nase, Uterus und selbst in den Därmen sind, wenn sie wirklich
auf einen früheren Tripper bezogen werden sollen, genau erwogen, doch
nur Symptome, wie sie im Gefolge der Lustseuche überhaupt vorkommen,
und aus denen nur eine sehr üppige Phantasie eine besondere Tripper-
seuche zu consiruiren im Stande ist. Wenn z.B. Schönlein von einer
besonderen steomalösen oder vielmehr sarkomatösen Entartung des Ho-
dens spricht, welche lediglich eine Folge des Trippers sein soll, und wo
nach der Castration sich ähnliche Speckgeschwülste im Unterleibe, in der
Brust und selbst im Gehirn regeneriren; so ist es jelzt nur zu bekannt,
dass eine solche Entartung viel eher und häufiger ein späleres Symplom
der Schankerseuche ist. Dasselbe gilt von den sogenannten Tripperseropheln
am Halse, ebenfalls ein seltneres und anomales Symptom der Schanker-
seuche. Wenn überhaupt angegeben wird, dass die Tripperseuche sich
in den Drüsen, im Schleimhaut- und Unterhautzellgewebe localisiren könne,
so bilden bekanntlich dieselben Organe und Gewebe den Haupttummelplatz
der Schankerseuche. Wir haben selbst gesehen, dass in Folge von Trip-
per sich nach Jahren eine sehr bösarlige Ozäna entwickelte; dasselbe ge-
schieht aber auch bisweilen nach dem Schanker und kann höchstens,
wenn man nicht Rieords Erklärung solcher Fälle annehmen will, dahin
führen, dass wir im Trippervirus eine besondere Modifikation des Sckan-
kergiftes erkennen, oder ein mögliches Connubium von Tripper - und
Schankergift: Wollen wir endlich die meisten chronischen Leiden und Enti-
artungen wichtiger Organe von einem vor vielen Jahren überstandenen
Tripper herleiten, ohne eine nachweisbare Verbindungsbrücke, so werden
wir freilich, namentlich in grossen Städten, wenige Männer finden, die nicht
einmal in ihrer Jugend einen Tripper gehabt hätten.
$. 21l. Was wir aus eigner Erfahrung bestätigen können, ist nur
so viel, dass ein vorschnell beseitigter Tripper bisweilen ein tödtliches
Blasenleiden nach sich zieht, oder auch ein tuberculöses Lungenleiden,
was sich durch Engbrüstigkeit, durch Husten mit sparsamem Auswurf cha-
rakterisirt und ebenfalls tödtlich werden kann. So wird in den frühesten
Jahrgängen des Hufeland’schen Journals ein Fall erzählt, wo ein Junger
Mann, um gesund das Ehebelt zu besteigen, sich seinen Tripper 'asch
stopfen liess. Nach wenigen Jahren starb er an der Lungenschwindsucht,
die mehrmals temporär gedämpft, aber .nicht geheilt werden konnte.
$. 212. In so fern wir in der Tripperseuche der genannten Schrift-
steller nur ein Phantasiegemälde erblicken können, von dem bei den
tüchtigsten Syphilidologen des In- und Auslandes nicht die geringste Spur
zu entdecken ist, wird man es uns wohl erlassen auf eine specielle Schil-
derung ihres Verlaufs, ihrer Symptome und ihrer Behandlung einzugehen,
die am Ende im Wesentlichen der Pathologie und Therapie der Schanker-
seuche entspricht. Wir würden die sogenannte Tripperseuche ganz mit
Stillschweigen übergangen haben, hätten wir nicht befürchten müssen,
dass uns, weil gewichlige Namen ihr Dasein vertreien, der Vorwurf der
Unkenntniss gemacht werden möchte.
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Die primären syphilitischen Geschwüre oder Schanker.
$. 213. Der Name Schanker, der schon im Mittelalter volksthüm-
lich war, ist aus Cancer entstanden, worunter man bekanntlich ein um