Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
40 Falk, die klinisch wichtigen Intoxikationen. 
erwiesen worden. Sie ist aber im Allgemeinen auch als richtig für die 
andern anorganischen und für die meisten organischen Gifte zu halten, 
wenn auch die Virulenz des Blutes und der Organe vergifteter Thiere nicht 
in jedem Falle zu erweisen steht. Letzteres muss aber um so weniger 
der Fall sein, wenn das in das Blut und die Organe übergegangene Gift 
durch die Ausbreitung seiner Partikel zu einem hohen Grade von Verdün- 
nung gelangt ist oder, wenn die Excretionsorgane einen Theil des Giftes 
aus dem Blute und den Organen wieder abgeschieden haben. Hiernach 
begreift man denn, "weshalb z. B. das Blut und die Lebern von mit Blau- 
säure vergiftelen Hunden von fleischfressenden Vögeln (Habichten), wie 
ich beobachtete, lange Zeit ohne Nachtheil verzehrt werden können, wäh- 
rend doch sehr kleine Dosen von concentrirter Blausäure dieselben Vögel 
in kürzester Zeit zu Tode bringen. Man begreift darnach aber auch, wes- 
halb gekokkelte Fische nicht selten von Menschen in reichlicher Menge 
ohne jeden Nachtheil genossen werden konnten, wofür die Beweise aus 
älterer und neuerer Zeit in Menge zu erbringen sind *). 
8. 80. Wenn in früherer Zeit für die Richtigkeit der Ansicht, dass 
die fernen Wirkungen der Gifte durch Vermittelung des Blutes zu Stande 
kommen, das Verhalten mancher Gifte zu den unversehrten Hautdecken 
als Argument angeführt wurde, so kann man heutzutage das Verhalten 
gewisser Gifte, als z. B. der Curare und des Schlangengifles zu dem Magen 
oder zu den ersten Wegen als Beweis erbringen. In der That ist, wie 
in der früheren Zeit durch Fontana und Mangili, so in neuerer Zeit 
durch Bernard und Pelouze dargethan worden, dass Curare wie 
Sehlangengift ohne alle nachfolgende Intoxication dem nervenreichen Magen 
überliefert werden können und zwar aus dem Grunde, weil die Schleim- 
haut des Magens ganz unfähig ist, die Gifte in das Blut überzuführen. 
Bringt man dagegen Curare oder Schlangengift mit Körperstiellen in. Be- 
rührung, welche die Gifte zu resorbiren und in die Blutbahnen überzu- 
führen vermögen, so sieht man die inficirten Thiere in kürzester Zeit dem 
Tode verfallen. 
$. 81. Kann nach Allem, was erbracht wurde, kein Zweifel darüber 
bestehen, dass die fernen Wirkungen der Gifte, wie durch Vermittelung 
des Nervensystems, so durch Vermittelung des Blutes (Resorption und 
Cireulation) zu Stande kommen, so muss es auch wohl einleuchten, dass 
in letzterem Falle nur scheinbar ferne Wirkungen offenbar werden. Und 
in der That sind die Wirkungen der Gifte, welche nach geschehener Re- 
sorption und Fortführung durch die Blutbahnen an den von den Applika- 
tionsstellen fern ‚entlegenen Orten zuStande kommen, in Wirklichkeit durch 
das Herantreten der Gifte zu den fernen Theilen bedingt und somit im 
Lichte der Wissenschaft besehen nichts anderes als örtliche Wirkungen. 
Diese Erkenntniss darf uns indessen nicht bestimmen, die fern von den 
Applikalionsstellen sich offenbarenden Wirkungen.der Gifte gerade so wie 
die an der Applikationsstelle auftreienden Wirkungen als örtliche .zu be- 
zeichnen, weil aus mehr als einem Grunde eine sprachliche Unterscheidung 
beider Arten von Giftwirkungen wünschenswerlh, ja notlhwendig erscheint. 
Mit Rücksicht darauf behalten wir den Ausdruck „örtliche Wirkung“ für 
die an der Applikationsstelle auftauchende Wirkung der Gifte auch für die 
Folge bei, wie wir den Ausdruck „ferne Wirkung“ für die fern von der 
  
*, J. J. Tschudi, die Kokkelskörner. St. Gallen 1847. S. 34 etc. 
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