Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
  
608 Simon, Syphilis. 
schuppigen Syphiliden eigenthümlichen Symptoms gedacht worden; es 
kommt aber auch, wenn auch seltner, für sich allein vor, entweder nach 
Abheilung der Syphiliden, oder auch als isolirtes secundäres Symptom. 
Bisweilen nämlich verdickt sich die Epidermis ein wenig, wird weisslich 
oder gräulich und löst sich dann in kleinen Scheiben ab; der Papillar- 
körper, der auf diese Weise blosgelegt wird, bedeckt sich wieder mit ei- 
ner neuen, aber nur sehr dünnen Epidermis. Dieser Process kommt be- 
sonders gern in der Handfläche und an den Fusssohlen vor. Wenn diese 
stellenweise Ablösung der Epidermis sich vervielfältigt und in einander 
übergeht, so werden ganze Strecken entiblösst, manchmal die Finger bis 
zur Matrix der Nägel, so dass diese selbst, nach einigen Veränderungen 
in Textur und Farbe, sich ablösen. Nach Vidal haben einige frühere 
Schriftsteller diese Ablösung der Epidermis — die der lappenartigen beim 
Scharlach gleicht — ünd die sich in einzelnen Fällen über den ganzen 
Körper erstreckt, Pelade genannt. Unseres Wissens bezeichnet Pelade 
das Ausfallen der Haare. Die Abschälung der Epidermis, wo diess „laci- 
niatim a subjecta cute decedit,“ heisst bei Astrue „la Pelarelle.“ 
II. Alopecie, Defluvium capillorum, Pellarola Brassavoli, Alopecie 
venerienne Rayer. 
$. 410. Dieses Symptom, das stark an die lepröse Abkunft der Sy- 
philis erinnert, kommt oft schon in den frühesten Stadien der constitutio- 
nellen Syphilis vor; manchmal schon, ehe sich die syphilitische Dyskrasie 
auf irgend eine andere Weise sichtlich äussert ; häufiger begleitet es die 
inveterirte Seuche. In vielen Fällen gehen Denen, welche mit syphilitischen 
Flecken, Schuppen oder Tuberkeln behaftet sind, die Kopfhaare aus, was 
sich besonders beim Kämmen bemerkbar macht. Das geschieht, wenn. die 
Kopfhaut mit syphilitischen Flecken oder Ausschlägen bedeckt ist, aber 
auch ohne alle Affektion der Kopfhaut. Im ersteren Falle entsteht gewöhn- 
lich stellenweise Kahlheit ; im letzteren wird das Haar dünn oder fällt auch 
ganz aus. Völliges Ausfallen des Kopfhaares, oder auch des Barthaares, 
der Augenbrauen, der Wimpern, so wie die Alopecie an allen behaarten 
Körpertheilen ist in unseren Tagen selten; im 16. Jahrhundert: — nach 
den 30er Jahren — scheint die Alopecie, nach Fracastori zu schliessen, 
häufig vorgekommen zu sein. „Et quod mirum omnibus visum est“, sagt 
er, „capillorum et reliquorum pilorum casus homines fere ridiculos faeit, 
„aliis sine barba, aliis sine supereiliis, aliis glabro capite in conspectum 
„venienlibus.“ — Bei nicht inveterirter Syphilis, wo die Alopecie selten 
einen hohen Grad erreicht und die Haarzwiebeln nicht wesentlich zu lei- 
den scheinen, wachsen die Haare, nach getilgter syphilitischer Dyskrasie 
gewöhnlich wieder; je länger aber die Syphilis gedauert und je älter das 
Individuum ist, desto geringer sind die Aussichten für das Wiederwachsen. 
der Haare. Eher, als die Barthaare, pflegen noch die Kopfhaare wieder- 
zukehren. — Die Gegner des Quecksilbergebrauchs sind geneigt, diesem 
die Hauptschuld der Alopecie beizumessen ; das ist irrig, wenn auch nicht 
zu leugnen, dass nach starken Merkurialkuren das Kopfhaar ausgeht oder 
wenigstens sehr dünn wird; es wächst aber wieder, wenn nur die syphi- 
liiische Dyskrasie getilgt ist. Dass der Quecksilbergebrauch übrigens nur 
einen sehr geringen und problematischen Antheil an der Alopecie hat, 
geht daraus hervor, dass die Patienten in der Regel ihre Haare wieder 
bekommen, wenn sie nur durch eine methodische Merkurialkur von der 
syphilitischen Dyskrasie befreit worden sind. 
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