906 Bamberger, Krankheiten des Digestionslraclus.
Bei der grossen Verschiedenheit der hier 'einschlägigen Zuslände ist eine
allgemeine Charakteristik nicht wohl möglich, und wir sind gezwungen,
um vorgreifende Schilderungen zu vermeiden, auf die betreffenden Kapitel
zu verweisen. In allgemeinster Uebersicht möchten wir jene Zustände in
Entzündungen, Geschwürsbildungen und mechanische Beeinträchligungen
des Darmes eintheilen. Bei den ersten sind neben den Colikanfällen die
Symptome eines-acuten Darmleidens vorhanden: Schmerzhafligkeit in
srösserer oder geringerer Ausdehnung, sowohl spontan, als gegen Druck,
Diarrhoeen mit der für die betreffenden Entzündungsformen charakteristi-
schen Beschaffenheit der Stuhlentleerungen, meist Fiebererscheinungen und
mehr oder weniger beträchtliches Allgemeinleiden. Bei der zweiten zeigen
sich die Erscheinungen eines fast stets chronisch verlaufenden Darmlei-
dens, Schmerzhaftigkeit an einer bestimmten, oft umschriebenen Stelle.
Die Colikanfälle sind sehr hartnäckig und kehren nach oft wochen- und
monatelangen Zwischenräumen wieder zurück; meist Stuhlverstopfung mit
Diarrhoeen abwechselnd, Zeichen eines tiefen Allgemeinleidens oder einer
speciellen Dyscrasie. Häufig plötzlicher Eintritt von mehr oder weniger
ausgebreiteter Peritonilis oder von Darmperforation. Bei den dritten sind
die Colikanfälle mit den Symptomen der ganz oder theilweise aufgehobe-
nen Durchgängigkeit des Darmes vergesellschaftet, welche letzteren ent-
weder plötzlich eintreten und acut verlaufen oder sich allmählig ent-
wickeln und einen chronischen Verlauf zeigen.
S. 115. 6. Die nervöse Colik. Je nach dem verschiedenen Aus-
sangspunkte des irradiirten Schmerzes zeigen sich als Grundlage entwe- n
der die Symptome eines Leidens der nervösen Centralorgane (insbeson- PA
dere Hysterie und Hypochondrie) oder eines der oben erwähnten Unter-
leibseingeweide (besonders des Harn- und Geschlechtsapparats). Die
Colikanfälle erscheinen plötzlich und sind meist von kurzer Dauer, wech-
seln mit Schmerzen in anderen Organen und nervösen Erscheinungen pe
verschiedener Art ab. Erbrechen, Aufsiossen, Stuhlverstopfung können voik,
vorhanden sein, fehlen aber eben so häufig. Die Form des Unterleibes ge
zeigt sich wenig verändert oder etwas eingezogen, nur in seltenen Fällen
ist Meteorismus vorhanden. _Aeusserer Druck, flüchtige und excitirende
Substanzen bringen gewöhnlich Erleichterung. Es fehlen alie Erscheinun-
gen, die auf Veränderungen des Inhalts oder der Textur des Darmkanals
schliessen liessen. Sie. kömmt vorzugsweise bei Individuen mit gesteiger-
ter Sensibilität und Reflexerregbarkeit vor.
$. 116. 7. Die Bleiecolik (Colica saturnina), Vorkommen bei Blei-
arbeitern und solchen Handwerkern und Gewerben, die mit Bleipräparaten
zu {hun haben. Eintritt gewöhnlich mit grünlichem Erbrechen und knei-
pendem zusammenziehendem Schmerz in der Nabelgegend. Hartnäckige
Stuhlverstopfung, fühlbare spastische Contraetion einzelner Darmschlingen,
des Cremaster, des Sphincter ani, bei meist eingesunkener Beschaffenheit
des Unterleibs. Langsamer grosser Puls bei stark gespannten Arterien-
häuten. Gewöhnlich gleichzeilig eine oder die andere Erscheinung der
chronischen Bleiintoxikation: livider Saum am Zahnfleische, schwärzliche
Färbung des Falzes der Fingernägel, Arthralgieen, Lähmungen u. s. w.
(Die ausführliche Schilderung der Bleieolik siehe im I. Bande dieses
Werkes pag. 165.)
ame
4
|
|
8. 117. 8. Die endemische Colik (Colik von Madrid, von Devon-
shire, von Poitou [Colica Pictonum], von Westindien, auch vegetabilische