Full text: Krankheiten des chylopoetischen Systems (6. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
  
  
Colik. 909 
vornherein als kolikartig bezeichneter Unterleibsschmerz auch etwas Anderes 
als Kolik sein könne, dem Arzte die Diagnose gleichsam fertig octroyirt. 
Wenn man berücksichtigt, wie trügerisch und unsicher die Urtheile der 
Kranken über den Sitz und die Art des Schmerzes sind, so wird man 
ohne das Gewicht der subjeetiven Sensalionen zu unterschätzen, doch hier 
so wie überall, wo es thunlich ist, die Diagnose vorzugsweise auf die ob- 
jecliven Momente zu gründen trachten. Um somit einen Schmerz als Ko- 
lik oder Enteralgie zu bezeichnen, wird man nebst dem anfallsweise auf- 
tretenden oder exacerbirenden und wandernden Charakter desselben, ins- 
besondere die eingesunkene oder aufgetriebene Beschaffenheit des Unter- 
leibes, die Spannung der Bauchdecken, die zeitweise eintrelenden krampf- 
haften Contractionen und Bewegungen der Darmschlingen oder die dauernde 
Zusammenziehung und Härte eines Theils derselben, den krampfhaften Zu- 
stand der Sphineteren und des Cremasters, endlich die funclionellen Stö- 
rungen des Darms als Beweise für den Sitz des Schmerzes in den Wan- 
dungen des Darmkanals berücksichtigen müssen. Unerlässlich ist es hie- 
bei, sich über den Zusiand aller übrigen Organe des Unterleibs, insbeson- 
dere aber jener, deren Affeelionen eine dem Kolikschmerze ähnliche Em- 
pfindung hervorrufen (vorzüglich Harn- und Geschlechtsorgane, Bauchfell), 
in so weit diess durch eine genaue objective Untersuchung und die Be- 
rücksichtigung ihrer Funktionen geschehen kann, zu vergewissern, einer- 
seits um einem Irrihum über den wahren Sitz des Schmerzes zu begeg- 
nen, andererseits um in jenen Fällen, wo der enteralgische Schmerz ein, 
von jenen Organen aus irradiirter ist, die wahre Quelle des Leidens zu 
entdecken. 
&. 121. Mit der Diagnose der Enteralgie ist wohl der Sitz des Lei- 
dens, aber noch nichts über seine eigentliche Begründung, das klinisch 
wichtigste Moment, bestimmt. Indem man den bei der Aetiologie eingc- 
schlagenen Ideengang verfolgt, wird es die nächste Aufgabe sein, zu er- 
mitteln, welcher der drei grossen Reihen von Ursachen, die dort angege- 
ben wurden, die Kolik zuzuschreiben sei, ob sie auf Anomalieen der Con- 
tenta des Darmes, auf Abnormitäten seiner Textur und Lagerung beruhe, 
oder endlich als excentrische Erscheinung von Seite der nervösen Central- 
organe als irradiirte, "von anderen Organen ausgehende Schmerzempfin- 
dung zu betrachten sei. Die genaue Ermittelung der anamnestischen 
Momente, inbesondere der Beschäftigung, vorausgegangener Krankheiten 
und äusserer schädlicher Einflüsse, die objeetive Untersuchung der Uhnter- 
leibsorgane, die Berücksichtigung des plötzlichen oder allmähligen Ein- 
tretens der Krankheit, öfterer Reeidiven u. s. w. wird nicht nur dieses, son- 
dern auch weiterhin die speecielle Begründung in der grossen Mehrzahl 
der Fälle zu constatiren gestatten. Immerhin bleiben aber selbst bei der 
genauesten Untersuchung einzelne Fälle übrig, in denen die nächste Ur- 
sache der Diagnose entgeht: Wird diese nicht noch etwa durch die Be- 
obachtung des weiteren Krankheitsverlaufes gefördert, so muss es genü- 
gen, nach dem vorhandenen Symptomencomplexe und nach Wahrschein- 
lichkeitsgründen den Fall unter Eine der obigen grossen Ursachenreihen 
zu subsumiren und dieser entsprechend zu behandeln. 
AUSGAENGE UND PROGNOSE. 
$. 122. Da die Kolik nur eine symptomatische Bedeutung hat, so 
richten sich die Ausgänge und die Prognose stets nach der zu Grunde 
liegenden Krankheit; es wurden oben bei der Aufzählung der wichtigeren 
und häufigeren Formen derselben die gewöhnlichen Ausgänge zugleich. 
Spee, Path. u. Therap. Bd. VI, Abthlg. I, 14 
 
	        
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