299 Bamberger, Krankheiten des Digestionstractus.
Behandlung und Sistirung derselben Platz zu greifen habe. Wenn auch
die ältere Mediein in ihren Befürchtungen über die Unterdrückung der Se-
crelionen viel zu weit ging, so ist doch auch das entgegengesetzte, die
blosse Beschränkung des Symptom’s im Auge habende Verfahren keines-
wegs unbedingt zu befürworten. Wenn man sich bemüht, sich die anato-
mischen Veränderungen des Darms, die der Diarrhöe direkt zu Grunde
liegen, möglichst klar zu machen und dabei auch ihr Abhängigkeitsverhält-
niss von anderen allgemeinen oder örtlichen Processen und die durch die
Beobachtung zu ermittelnde Rückwirkung des Symptom’s auf den Orga-
'nismus nicht ausser Acht lässt, so wird man am sichersten jeden einsei- .
ligen Standpunkt vermeiden und im conereten Falle nicht leicht darüber
in Zweifel gerathen,, ob eine direkte Bekämpfung der Diarrhöe räthlich
_ und nothwendig sei. —
$. 144. Die zur Sistirung der Diarrhöen anzuwendenden Mittel ge-
hören vorzugsweise der Reihe der Narcotica und jener der Adstringentia
und Styplica an.
Unter den narcotischen Mitteln steht insbesondere das Opium
und seine Präparate der Wirksamkeit nach obenan. Die Verbindung des-
selben mit der Ipecacuanha, der an und für sich auch eine mässige
stuhlanhaltende Wirkung zukömmt, wirkt oft noch schneller als das reine
Präparat. Demnächst sind die Nux vomica, weniger die Belladonna, Hyos-
ceyamus, Lactucarium, die Aq.laurocerasi und die andern blausäurehaltigen
Mittel wirksam. Ueber die Anwendungsweise (innerlich oder in Klystier- .
form) entscheidet der Sitz des Leidens. — Die narcolischen Mittel wir-
ken insbesondere durch Verminderung der peristaltischen Bewegung des
Darms, sie sind daher vorzüglich da anzuwenden, wo in der abnormen
Vermehrung dieser Bewegung, sei es durch cerebrale oder peripherische
Reize, wenn diese nicht auf andere Weise direkt entfernt werden können,
der Grund oder Theilgrund der Diarrhöe gelegen ist, wo jene Bewegun-
gen subjectiv und objectiv wahrnehmbar, wo dieselben mit Schmerz und
Kolikanfällen verbunden sind, und die übermässige Sensibilität und Re-
flexerregbarkeit des Darms sich durch die Intoleranz gegen Ingesta zu er-
kennen gibt. — Wo hingegen diese Erscheinungen fehlen, wo namentlich
bei längerer Dauer sich bereits ein erschlaffter, paralylischer Zustand der
Darmwandungen ausgebildet hat, oder allgemeiner Collapsus sich einstellt,
da passen die Nareotica theils gar nicht, theils nur in Verbindung mit an-
deren (belebenden, slimulirenden, nährenden, adstringirenden) Mitteln. Hin-
gegen geben weder örtliche entzündliche, noch Fiebererscheinungen eine
Contraindiealion für deren Anwendung. i
Unter den adstringirenden und styptischen Mitteln sind die
wirksamsten der Alaun, das essigsaure Blei, das salpetersaure Silber, die
(besonders schwefelsauren) Eisen- und Kupfersalze, Wismuth, Kalkwasser.
Häufig aber verdienen die vegelabilischen Adsiringenlia, die besonders auf
die Verdauung weniger nachtheilig einwirken, den Vorzug, dahin gehören:
Das Tannin, die Ratanhia, Tormentilla, Monesia, Bistorta, das Campeche-
holz, Gummi Kino, Calechu. Weniger adstringirend aber besonders ihrer
tonischen Eigenschaften wegen häufig vorzuziehen sind die Colombo, die
Cascarilla, die Simaruba, so wie die billern und aromalischen Mittel: kleine-
Gaben von Rheum, die China, die Quassia, Gentiana, die Rad. Calami, das
Trifol. fibrin., das Lichen island. u.s.w.— Bei tieferem Sitz des Leidens ist
für die meisten der genannten Mittel, besonders für die mineralischen Ad-
stringenla, die Klystierform zu empfehlen. — Die Adstringentia und Siyp-
tica passen vorzugsweise bei Abwesenheit von Schmerz und stärkeren