Diphtheritis. 93
net sich durch Heftigkeit und Gefährlichkeit der Erscheinungen, tiefes Er-
sriffensein des Gesammtorganismus, rapiden Verlauf und Neigung zu gan-
gränöser Zerstörung aus.
Aus den historischen Untersuchungen von Ozanam, Fuchs, Ei-
senmann, Hecker und Bretonneau ergibt sich , dass die bösartige
Rachenentzündung schon dem Aretaeus, Caelius -Aurelianus und
Aetius bekannt war, die sie unter dem Namen: Ulcera aegyptica, Sy-
riaca beschrieben. Im Anfange der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
(rat sie zuerst epidemisch in Holland auf und wurde von P. Forest be-
schrieben, gegen das Ende dieses Jahrhunderts herrschte sie in Spanien
in epidemischer Verbreitung mit grosser Heftigkeit und tödtele die Kran-
ken häufig durch Erstickung, wesshalb sie daselbst den Namen: Garotillo
erhielt. Von da an zeigte sie sich in verschiedenen Perioden in mehr
oder weniger bedeutender Intensität und Ausbreitung in den meisten Län-
dern Europas und in Nordamerika, und wurde von einer grossen Anzahl
von Sehriftstellern aller Nationen unter verschiedenen Namen beschrieben.
Eine gelungene Darstellung der Krankheit wurde von Bard in New-York
(1771) gegeben, der zuerst ihre Verwandtschaft mit dem Croup nachwies
und die gangränöse Natur in Abrede stellte. In neuerer Zeit ist sie am
ausführlichsten von Bretonneau beschrieben worden, der selbst eine
heftige Epidemie in Tours (1818—1820) beobachtete.
Was die Natur der Krankheit beiriffi, so müssen wir sie als eine
Art des: croupösen Exsudativprocesses (Rokitansky’s dritte Form der
croupösen Exsudate) betrachten , welcher häufig die Tendenz zum septi-
schen Zerfallen und der gleichen Veränderung der unterliegenden Theile
'anhängt, ein Ausgang, der indessen nicht als nothwendige, sondern nur
als häufige und vielleicht durch gewisse uns unbekannte Verhältnisse be-
dingte Folge erscheint. Aus diesem Grunde wird die Krankheit von Man-
chen als croupöse Entzündung, von Anderen als wahre Gangrän oder
gangränöse Entzündung angesehen. Sie scheint in dieser Beziehung an
manchen bösarligen Epidemieen der Dysenterie, in welchen das Exsudat
die gleiche Tendenz zum Sphacelus zeigt, ein Analogon zu finden. —
Der hefligen Allgemeinerscheinungen wegen, von denen die Krankheit be-
gleitet ist, hat man sie auch als einen wahren Typhus mit der Tendenz zur
Localisalion in der Mund- und Rachenhöhle ansehen zu können geglaubt,
doch ist die Aehnlichkeit mit Typhus eben keine grössere, als bei andern
schweren Krankheiten, ob übrigens derselben eine specifische, der typhö-
sen ähnliche Blutinfeclion zu Grunde liege, müssen wir aus Mangel hin-
reichender Belege vor der Hand dahin gestellt sein lassen.
Die Krankheit ist ohne Zweifel häufig eine vollkommen selbstständige,
wie die Geschichte zahlreicher Epidemieen derselben beweist, allein nicht
selten ist sie eine secundäre, durch jene Krankheitsformen bedingte, die
bei der eroupösen Entzündung angegeben wurden. Ganz besonders ist in
dieser Beziehung ihr Verhältniss zur Scarlatina hervorzulieben. In gewis-
sen bösarligen Epidemieen derselben ist die diphtheritische Rachenentzün-
dung eine äusserst häufige und gefährliche Erscheinung. Das Zusammen-
ireffen beider Formen zeigt auch die Geschichte mancher Epidemieen, und
wenn es auch zu weit gegangen wäre, die Diphtheritis stets auf den scar-
lalinösen Process zurückzuführen, so mag doch oft genug das Wechsel-
verhältniss beider bei anomaler oder geringfügiger Eruption des leizteren
übersehen worden sein. Auf dieselbe Weise kann sie epidemisch als
Theilerscheinung des Typhus, des Puerperalfiebers, so wie auch in spo-
radischen Fällen dieser Processe, bei der Pyaemie und andern schweren
Krankheiten auftreten. — DieDiphtheritis wird vonBretonneau, Trous-