Diphtheritis. 23
tig und fehlt in seltenen Fällen selbst ganz. Die Deglutitionsbeschwerden
können einen verschiedenen Grad erreichen und sind in der Regel be-
deutend, obwohl Bretonneau sie nicht selten fehlen sah. Verdauungs-
störungen sind nicht constant, manchmal ist der Appetit nur wenig ver-
mindert, obwohl er häufiger gänzlich darniederliegt.
Der Grad und die Beschaffenheit der allgemeinen und eonsensuellen Er-
scheinungen richtet sich vorzugsweise nach den einzelnenEpidemieen. Meist
sind dieselben bedeutend und tragen den sogenannten Charakter der Ady-
namie an sich. Ohne bedeutende Puls- und Temperaturerhöhung zeigt
sich bald grosses Darniederliegen der Kräfte, Somnolenz, es tritt galligtes
Erbrechen ein, der Stuhl ist verstopft oder es sind Diarrhöeen vorhanden,
endlich wird der Puls frequent und klein, dieHaut bedeckt sich mit kleb-
rigem Schweisse, der Athem verbreitet einen unerträglichen cadaverösen
Geruch, manchmal zeigt sich brandiger Decubitus oder Gangrän an andern
Körpertheilen, die exulcerirt oder einem Drucke, einer Quetschung ausge-
setzt waren, besonders an den Genitalien und dem After, zuweilen treten
Blutungen aus dem Munde oder der: Nase ein, die Kranken werden sopo-
rös oder deliriren ; Meteorismus, unwillkürliche Entleerungen, rascher Gol-
lapsus verkündigen das nahe Ende. — In andern Fällen sind die Er-
scheinungen nicht so vehement, ohne dass desshalb die Gefahr derKrank-
heit geringer wäre.
VERLAUF, AUSGAENGE.
$. 35. Der Verlauf der Krankheit ist stets ein acuter und Beobach-
tungen von chronischer, monate- und jahrelangerDauer scheinen auf Ver-
wechslungen mit andern ähnlichen Processen zu beruhen. In heftigen
Fällen und bösartigen Epidemieen kann der Tod schon nach einigen Tagen
eintreten, gewöhnlich aber entscheidet sich die Krankheit nach 8—14 Ta-
gen, selten erst nach 3 Wochen.
Tritt Genesung ein, so wird das Exsudat entweder allmählich dünner
bis es endlich verschwindet, oder es wird als bräunlicher, stinkender Brei
oder in grössern graulichen oder missfärbigen Lappen und Fetzen abge-
stossen, durch Räuspern oder Hustenbewegungen entfernt und wenn es
sich auch zum Theil oder in dünnern Schichten wieder ersetzt, so wWet-
den auch diese — manchmal unter dem Eintritte einer leichtern reactiven
Entzündung in der Umgebung — wieder entfernt; war die Schleimhaut unter
dem Einflusse des schmelzenden Exsudates excoriürt oder exulcerirt, so
reinigt sich der Grund derselben und vernarbt endlich , selbst gangränöse
Schleimhautstücke können unter günstigen Bedingungen auf diese Weise
abgestossen und durch gutartige suppurative Entzündung endlich Vernar-
bung und Heilung herbeigeführt werden. Gleichzeitig mindern sich die lo-
calen Beschwerden und die allgemeinen Erscheinungen; Fieber , Speichel-
fluss und der üble Geruch verschwinden endlich, die angeschwollenen Hals-
drüsen verkleinern sich oder gehen in manchen Fällen in Vereiterung und
Abscessbildung über.
Der tödtliche Ausgang erfolgt am gewöhnlichsten durch das Ergrif-
fensein des Gesammtorganismus unter den sogenannten Erscheinungen der
Adynamie, in soporösem Zustande oder, unter Delirien. In andern Fäl-
len wird derselbe durch Glotlisödem, durch hinzutretende Pneumonie be-
dingt, oder es treten die Erscheinungen der Pyämie mit metastatischen
Entzündungen der Lunge, des Darms oder anderer wichtiger Organe ein.
DIAGNOSE, PROGNOSE.
$. 36. Die Krankheit unterscheidet sich von allen andern Rachen-
entzündungen durch ihr meist epidemisches Auftreten, die Gefährlichkeit