Full text: Krankheiten des chylopoetischen Systems (6. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
510 Bamberger, Krankheiten der Leber. 
sind, dass etwas allgemein Gültiges für eine so grosse und aus So ver- 
schiedenartigen Gliedern zusammengeselzte Gruppe von Krankheiten nicht 
wohl gegeben werden kann. Allein es scheint uns nicht überflüssig, ein- 
zelne Erscheinungen, die sich bei Leberkrankheilen öfters wiederholen und 
in diagnostischer sowohl als therapeutischer Beziehung wichtig sind, vor- 
gängig einer allgemeinen Schilderung zu unterziehen. Wir rechnen zu 
diesen Symptomen den Leberschmerz, die Siörungen der Verdauung und 
Ernährung, die Cirenlationsstörungen und den leterus. Den leiziern werden 
wir seiner besondern klinischen Wichtigkeit wegen am Schlusse ausführ- 
licher zu besprechen uns bemüssigt sehen. 
8. 8 1) Der Leberschmerz. Vollkommnes Fehlen desselben und 
alle Grade bis zur höchsten Schmerzhaftigkeit können bei Leberkrankhei- 
ten vorkommen, und es hängt diess grossentheils von denselben Momenten 
wie bei den Erkrankungen anderer parenchymalöser Organe ab, also im 
Allgemeinen von der Localität, Ausbreitung und Acuilät des Processes, 
von dem Eintreten von Irradialions- und sympathischen Erscheinungen 
und von der Individualität. In der Mehrzahl der Leberkrankheiten ist ein 
dumpfer nicht sehr bedeutender Schmerz vorhanden (so in der Regel bei 
Hyperämie, geringen Graden von Abscessbildung, Cirrhose, Krebs, Pfort- 
aderentzündung). Sehr hefliger Schmerz kommi fast nur bei der acuten 
Atrophie, bei Gallensteinen und bei auf das leritonäum übergreifenden Ent- 
zündungen vor. Vollkonmene Schmerzlosigkeit ist gewöhnlich bei der 
Felt- und Colloidleber und den Acephaloeystensäcken. Die Art des Schmer- 
zes ist sehr verschieden, es kann fast jede Modificalion desselben vor- 
kommen, doch hört man am häufigsten über einen drückenden Schmerz 
klagen. In diagnostischer Beziehung ist der intermillirende Charakter (bei 
Gallensteinen) von Bedeutung. In manchen Fällen zeigt der Schmerz mehr 
die Eigenthümlichkeiten des rein nervösen, indem er durch äussern Druck 
nicht verstärkt, wohl selbst gemindert wird, während der durch Hyperä- 
mie und Entzündungen bedingte, durch Druck und stärkere Bewegungen 
gewöhnlich bedeutend vermehrt wird. Die Ausbreilung desselben über 
einen grössern oder kleineın Theil der Leber hängt von der Ausdehnung 
des Krankheilsprocesses und von Irradialion ab. Solche Irradialionen 
und Mitempfindungen kommen nicht selten vor. Gewöhnlich strahlt der 
Schmerz gegen den Nabel, über den Unterleib, gegen die Wiibelsäule, 
über die vordere Fläche des Thorax aus. Oder die Kranken emplinden 
Schmerz zwischen den Schulterblättern, in der Umgebung des Humerus- 
kopfes, in der obern oder untern Extremität einer oder beider Seiten. Der 
Schmerz in der rechten Schulter, der als charakteristisch für Leberkrank- 
heiten angesehen wird, ist bei weilem keine so häufige Erscheinung als 
man gewöhnlich glaubt. Verhälinissmässig am häufigsten erscheint er 
bei Abseessbilding der Leber. Sein Zustandekommen erklärt sich nach 
den neuesten Untersuchungen von Luschka über den Nervus phrenicus 
leicht durch die gemischte (sensitive und motorische) Nalur dieses Ner- 
ven und seine Verbindung mit dem 4. Cervicalnerven, dessen Hautzweige 
zur Schulter und äussern Schlüsselbeingegend gehen. Schmerz in der 
Milzgegend mag manchmal ein irradiirler sein; häufiger aber ist er Symptom 
einer gleichzeitigen, dureh mechanische Hyperämie bedingten Schwellung 
des Organes. In diagnoslischer Beziehung darf man auf die Localität des 
Schmerzes kein zu grosses Gewicht legen. Der Leberschmerz wird nicht 
sellen an einer ganz andern Stelle empfunden und Schmerzen die durch 
Affectionen benachbatter Organe entstehen, können die Lebergegend zum 
Sitz haben, 
  
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