Full text: Krankheiten des chylopoetischen Systems (6. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
Symptomatologie. 5 
allen Bestandiheilen der Galle bloss das Gallenpigment ins Blut aufgenom- 
men werde, und es dürfte dieser Umstand weit eher die geringe Schärfe 
unserer chemischen Untersuchungsmethoden beweisen. Ueberdiess halten 
wir es für wahrscheinlich, das die leicht zersetzbare Tauro - und Glycochol- 
säure selbst bei nur kurzem Aufenthalte im Blute, Zersetzungen und an- 
derweitige Verbindungen eingehen, die sie dem chemischen Nachweise leicht 
völlig entziehen können. Der Umstand also dass die elementaren Besland- 
theile der Galle bisher im Blute nicht nachgewiesen sind, berechtigt uns 
meines Erachtens noch keineswegs zu der Annahme, dass dieselbe erst 
in der Leber aus heterogenen Stoffen gebildet werden. Lange genug 
wusste man nichts von der Gegenwart des Harnstoffs und der Härnsäure 
im Blute, und es bedarf vielleicht nur einer veränderten Untersuchungs- 
methode um auch die Gallenbestandtheile darin zu entdecken. 
$. 13. Ist es demnach mit dem physiologisch-chemischen Prämissen 
dieser Ansicht keineswegs glänzend bestellt, so müssen wir geradezu be- 
haupten, dass sie für den klinischen Standpunkt völlig unbrauchbar ist, 
indem sie eine grosse Reihe von Thatsachen entweder vollkommen uner- 
klärt lässt, oder zu neuen Hypothesen zwingt, die vor der Hand jeder fac- 
tiischen Grundlage enibehren. 
Es gibt bekanntlich eine beträchtliche Anzahl von Krankheiten, bei 
denen wir eine primäre oder secundäre Veränderung des Blutes mit Grund 
annehmen können und die häufig von Icterus begleitet sind, ohne dass 
bisher in der Mehrzahl der Fälle die anatomische Untersuchung einen 
palpablen Grund des letzteren nachzuweisen vermochte. Dahin gehört 
besonders die Pneumonie, die Pyamie, das Puerperalfieber, das Intermitllens, 
das gelbe Fieber; manche Metalldyscrasien und Vergiftungen, so wie der 
Icterus der nach Schlangen- und Vipernbissen nach Chloroforminhalation 
entsteht. Um solche sehr häufig vorkommende Fälle zu erklären, sah 
man sich zu der Annahme genöthigt, dass hier überall eine catarrhalische 
Schwellung der Schleimhaut des Duodenum und des Choledochus vorhan- 
den sei, die den Abfluss der Galle hindern und ihrer Unbedeutendheit 
wegen leicht übersehen werden könne. — Ich habe in zahlreichen Fällen 
dieses Ieterus, namentlich bei Pneunomie und Pyaemie seit Jahren meine 
Aufmerksamkeit bei Sectionen auf diesen Punkt gerichtet, und gestehe zu, 
dass in einzelnen Fällen eine genaue Untersuchung in der That eine leichte 
Schwellung der Schleimhaul an der Ausmündungsstelle des Choledochus. 
und Verstopfung desselben durch ein Schleimklümpchen zeigt, allein ich 
kann mit Bestimmtheit versichern, dass diess nicht für die Mehrzahl der 
Fälle Geltung hat, sondern dass bei diesen die völlige Immunität des Gan- 
ges, die Beschaffenheit der Stuhlentleerungen im Leben und der gallige 
Inhalt des Darms an der Leiche mit Entschiedenheit gegen jedes mecha- 
nische Hinderniss sprechen. i 
Andere nehmen zur Erklärung dieses Icterus ihre Zuflucht zu einem 
hypothetischen Krampfe oder einer eben so hypothetischen Paralyse der 
Gallenwege, allein der krampfhafte und paralytische Ieterus sind nichts we- 
niger als bewiesen. Der Ducius hepaticus und dessen Aeste besitzen gar 
keine Muskelfasern, der Choledochus und Cysticus nur sparsame und ver- 
einzelnte (K ölliker) auch der stärkste galvanische Strom ruft in den Gal- 
lenwegen keine solche Contraction hervor, aus der sich ein Hinderniss 
für den Abfluss der Galle auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit ergeben 
würde; überdiess steht einer solchen Erklärung, auch wenn man den Um- 
stand nicht berücksichtigen würde, dass erst eine mehrlägige Unterbrech- 
ung der Gallenabfuhr, die bei blossen Krampfe wohl unmöglich ist, Icte- 
 
	        
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