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2.Der Alte Markt zur Zeit Friedrichs des Großen, Kupferstich von Schleuen
DIE ST. NIKOLAIKIRCHE
DER KAMPF UM DEN WIEDERAUFBAU
Am 3. September 1795 wurde die Potsdamer Nikolai-
kirche ein Raub der Flammen. Anläßlich einer Kirch-
turmausbesserung war durch die Unvorsichtigkeit eines
Klempners beim Löten der Brand entstanden, der Turm
und Kirche in Asche legte.
Die alte Kirche war auf Befehl Friedrich Wilhelms I.
im Jahre 1724 an die Stelle der früheren gotischen, seit
1600 sogenannten «Katharinenkirche » getreten. Frie-
drich II. hatte dann 1748 begonnen, seine Residenz groß-
artig zu verschönern. Für den Alten Markt in Potsdam
schwebte ihm als Vorbild der Platz von Santa Maria
Maggiore in Rom vor. Dort ist das Portal der Kircheein-
gebunden in den mächtigen Palastbau der Biblioteca
Liberiana, in Potsdam wurde es freistehend als riesige
Kulisse dem südlichen Kreuzarm der Nikolaikirche
vorgesetzt. Für den Markthandel umgab man die
Kirche, anschließend an das Portal in der Mitte, mit
einstöckigen Arkaden, die als Scharren dienten. Da etwa
zu gleicher Zeit mit der Nikolaikirche der Bau des
Rathauses mit seiner Palladio entlehnten Schauseite
erfolgte und östlich neben der Kirche der des Prediger-
hauses nach Fugas Consultä-Gebäude (1739) beim
Quirinal, so war 1755 ein, vom Schlosse aus gesehen,
ungemein wirkungsvolles Platzbild entstanden, bei dem
die Höhe des Portals in feinabgewogenem Verhältnis
zu der Turmhöhe und der an dem Markte seit 1751
geschaffenen großen Dreistockhäuser friderizianischen
Stiles stand (Abb. 2).
Nach dem Brande von 1795 befand“man sich unter
dem Eindruck der Vernichtung des Hauptgotteshauses
der Stadt, und es lag nahe, es in alter Form mit Ein-
beziehung des zwar beschädigten, aber im ganzen er-
haltenen Portals wieder erstehen zu lassen. Daneben
regte sich aber der Wunsch der Künstler, etwas ganz
Neues an die Stelle der nunmehr als barock und veraltet
empfundenen Anlage zu setzen.
Zwei Umstände indessen beeinträchtigten die Aus-
führung der Wiederherstellungs- oder Neubaupläne.
Die dringendste Aufgabe war nämlich die Wieder-
herstellung von sieben vollständig durch den Brand
vernichteten Bürgerhäusern, deren Bewohner vorläufig
anderweitig untergebracht und an die vom Staate fort-
laufend Mietsentschädigungen gezahlt werden mußten.
Zweitens aber war für das Jahr 1796 ein kostspieliger
Neubau im Plan, nämlich die Erweiterung des Theaters
am Kanal auf mehr als das Doppelte seiner Grundfläche
unter gleichzeitigem Einbau eines Konzertsaales an der
Rückseite. Auch der geringe kirchliche Sinn jener Tage
muß bei der Zurückstellung des Kirchenbaus mit in
Anschlag gebracht werden, sagt doch ein gleichzeitiger
Berichterstatter: «Nunmehr ist unser Gotteshaus ein
Schutthaufen, da stehen die Mauern; haben wir es
verdient, das will ich Gott anheimstellen, der ist der
rechte Richter; unsere Religion ist kalt zum Worte
Gottes, weiter sage ich nichts.» Friedrich Wilhelm II.
entschied sich Anfang 1796 für den Theaterausbau, der
ihm dringlicher erschien, weil sich die neugegründete,
eben im Juni 1795 fertig gestellte Kunststätte für ihre
Aufgabe als zu klein erwiesen hatte. Der Baurapport
Boumanns vom Mai 1796 bezeichnet den sofortigen
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