Full text: Potsdam ([Band 1])

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DIE ST. NIKOLAIKIRCHE 
Albrecht schrieb Schinkel am 1. März, er habe den 
Kultusminister von Altenstein vorläufig davon in 
Kenntnis gesetzt, daß Seine Majestät die drei Kirchen 
für Potsdam und Berlin ausgewählt und ihn zu beauf- 
tragen geruht habe, unter seiner Leitung die vollständige 
Bearbeitung und Veranschlagung dieser Projekte machen 
zu lassen. Drei Tage später meldet Albrecht dem Finanz- 
minister von Motz, Schinkel solle Zeichnungen und An- 
schläge für den Bau einer Kirche in Potsdam und zweier 
Kirchen in Berlin ausarbeiten. Tausend Taler seien für 
die Baukondukteure ausgesetzt, die die Ausarbeitung 
zu übernehmen hätten. 
Zu den notwendigen Vorbedingungen für die neuen 
Pläne zum Bau der Nikolaikirche gehörte natürlich vor 
allem, wie viele Sitzplätze der Kirchenraum zur Auf- 
nahme der verhältnismäßig doch recht großen Gemeinde 
haben müsse. Es hatte im März eine Verhandlung über 
diese Frage zwischen dem Oberprediger Hanstein, dem 
Prediger Stöwe einer- und dem Polizeidirektor Potsdams 
Flesche andererseits stattgefunden, deren Ergebnisse 
einem Bericht des Regierungs- und Baurats Redtel zu- 
grunde gelegt waren. Danach hatten sich die Beteiligten 
nachdrücklich dafür ausgesprochen, daß 4500 Sitzplätze 
vorhanden sein müßten, um allen Ansprüchen zu ge- 
nügen. Albrecht fragte bei Schinkel in dieser Angelegen- 
heit an. Der Meister bezeichnete erstaunt und bestürzt 
diese Feststellung als «ein unerwartetes Resultat»; er 
hatte etwa 1600 Sitzplätze als nötig angenommen. 
Schinkel schrieb in dieser Frage am 30. März 1829 an 
den Oberpräsidenten von Bassewitz: 
«Bei Gelegenheit der mir übertragenen Entwürfe für die 
Kirchen in der Oranienburger Vorstadt entwickelte ich 
Seiner Exzellenz dem Herrn Minister von Altenstein, 
welcher wünschte, daß jede der dort zu erbauenden Kirchen 
3000 Sitzplätze erhalten möchte, daß es in vieler Beziehung 
nicht angemessen sei, zu große evangelische Kirchen zu 
bauen, weil das Hören der Predigt eine Hauptbedingung 
für diese Kirchen sei, die Größe des Raumes, auch bei 
möglichst ökonomischer Verteilung des Platzes, in dieser 
Beziehung ein Maximum erreiche, über welches hinaus für 
einen Teil des Gebäudes das Hören der Predigt dem Volke 
erschwert oder unmöglich gemacht würde.» 
Schinkel weist in Abwehr gegen die Forderung von 
4500 Sitzplätzen weiter auf die englischen sogenannten 
«Aktienkirchen» hin, die höchstens 2000 Sitzplätze ent- 
hielten, «nie aber größer gebaut würden, weil die Aktionäre 
von der über diese Anzahl der Sitzplätze hinaus liegenden 
Zahl keinen Gewinn ziehen, indem eben diese Plätze die 
Vorteile des guten Hörens und Sehens des Predigers ent- 
behren.» Er verspricht dann, daß die spezielle Anwei- 
sung zur Ausarbeitung der Pläne erst nach Einholung 
des Einverständnisses des Kirchenvorstandes gegeben 
werden solle, wobei als Verhandlungsgrundlage die Zahl 
von 1600 Sitz- und 1000 Stehplätzen zu wählen sei. 
Die Berliner Kirchen hätten aus obigen Gründen Raum 
für 900 bis 1200 Sitzplätze erhalten. 
«So tritt für den vorliegenden Fall des Baues der Nikolai- 
kirche in Potsdam noch ein anderer Grund hinzu, nämlich 
die Lokalität. Der Allerhöchst gewählte Platz vor dem 
Schlosse, wo die abgebrannte Kirche stand, würde nicht 
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allein völlig verunstaltet werden, sondern die daran liegen- 
den Wohnhäuser alle Wohnlichkeit verlieren, wenn die 
Kirche einen größeren Raum einnähme als daß gewöhn- 
liche Straßenbreiten von 40 bis 60 Fuß umher freiblieben. » 
Im Ministerium des Innern lag ein Bericht der Pots- 
damer Regierung vor, in dem diese auf Nachfrage be- 
richtete, daß die Zeichnungen von zweien dem Könige 
zur Auswahl vorzulegenden Entwürfen bereits vollendet 
würden, die Veranschlagung des ersten Entwurfs in 
diesen Tagen beendigt und die Arbeit dann an den Bau- 
rat der Kollegiums zur Revision abgeliefert werden 
würde. Es geht aus diesen Andeutungen hervor, wie die 
vorhandenen Entwürfe von 1829 im Schinkelmuseum 
zeigen, daß zwei Pläne zur Vorlage kommen sollten, der 
eine in Form einer Basilika entsprechend dem Wunsche 
des Königs und der andere in Form eines Zentralbaues 
mit Kuppel nach den Absichten des Kronprinzen. 
Friedrich Wilhelm III. war von vornherein für den 
ersteren eingenommen, so daß es uns nicht wunder 
nimmt, wenn er ihn zur Ausführung wählte. Es lag ihm 
aber am Herzen, der Kirche Türme für das Geläut, das 
Schinkel in niedrigen gewölbten Kammern an den vier 
oberen Ecken des Baus anbringen wollte, zu geben. 
Seiner Gewohnheit nach suchte er, wie schon früher 
beim Basilikaplan, nach geeigneten Vorbildern und 
glaubte ein passendes in den Türmen der Kirche zu 
Upsala in Schweden, so wie sie damals vor der Restau- 
rierung in gotischem Stile aussahen, gefunden zu 
haben (Abb. 22). Hierüber erhalten wir Klarheit in einem 
Schreiben Schinkels an Albrecht vom 14. September 1829: 
« Euer Hochwohlgeboren empfangen hierbei das Aller- 
höchst befohlene Gutachten über die Anbringung zweier 
Türme nach dem beigehend zurückgereichten Steindruck 
(Kirche von Upsala) an der neu projektierten Kirche von 
Potsdam, zugleich die Mappe mit den Zeichnungen, soweit 
solche bis jetzt nach bereits früher genehmigtem Plan spe- 
ziell bearbeitet worden sind.» 
Darauf folgen besondere Bemerkungen Schinkels 
unterm gleichen Datum: 
«Aus dem sehr unbestimmt gezeichneten Steindruck von 
der Kathedrale in Upsala ist für die Architektur der 
beiden Türme wenig zu eninehmen, aus der Hauptform 
geht hervor: daß nur die rohen viereckten Unterbaue dieser 
Türme aus der Zeit der Erbauung dieser Kirche, etwa dem 
14. und 15. Jahrhundert, herrühren. Die Gesimse auf 
diesen Unterbauen und die kleinen achteckten, mit ge- 
brochenen Kuppeln versehenen Aufsätze sind aus ganz 
später Zeit und tragen den gemischten Stil, welchen man 
gewöhnlich den Jesuitenstil nennt. Die Kirche, welche 
Seine Majestät für Potsdam zu wählen geruht haben, hat 
die Basilikenform und ist in der: reinsten antiken Archi- 
tektur durchgeführt. Abgesehen davon, daß bei der hier 
angenommenen Basilikaform eine damit in Verbindung 
gebrachte Turmanlage überhaupt nicht zulässig ist, so 
würde um so weniger der gemischte Jesuitenstil in der 
Form dieser Turmaufsätze mit ihren gebrochenen Ecken, 
Spitzbogenfenstern, geteilten und beschnörkelien Kuppeln 
hier Anwendung finden können. 
Dagegen könnte für die von Seiner Majestät gewählte 
äußere Form wohl der Aufsatz einer großen Kuppel in
	        
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