DIE ST. NIKOLAIKIRCHE
der Widerlagmassen in der oberen Etage des Baues
daran hinderte». Die Maurer mußten sogar auf zwei
bis drei Wochen die Arbeiten ganz einstellen; denn man
konnte nur stückweise weiter mauern, und es war ein
Mangel an Mauersteinen zu befürchten. Im Mai trafen
dann neue Lieferungen ein.
Schinkel schrieb vor, daß über die vier großen Bogen-
rüstungen Zelte gespannt werden sollten, damit dem
nachteiligen Einfluß der Witterung auf die Bindbarkeit
des Mörtels der Wölbungen vorgebeugt werde und die
Maurer, darunter geschützt, sorgfältige Arbeit ausführen
könnten. Die 110 Fuß langen und 33 Fuß breiten Zelte
würden 800 Taler kosten, also billiger sein als ein früher
geplanter Bretterbelag. Der Juni brachte das Vor-
schreiten der zweiten Etage (über dem Hauptgesims),
und diese wuchs im Laufe des Monats auf 18 Fuß über
dem erwähnten Gesims empor. Die Bogen der großen
Fenster wurden auf zwei Drittel, ihre zweiten Bogen
auf ein Drittel der Halbkreislänge eingewölbt. An den
vier großen Tonnengewölben kamen die überkragenden
Widerlager des ersten, zweiten und dritten Bogens, so-
wie die Anfänge der ersten und zweiten Bogen selbst
bis zur Höhe des dritten Widerlagers zur Ausführung.
Im Juli folgten die Abschließungen der beiden großen
Fensterbogen, des Gurtbogens vor der Altarnische und
des ersten großen Tonnengewölbes an der Vorderfront;
die beiden ersten großen Bogen in der Längenfront
waren bis auf wenige Schichten eingewölbt. Der vierte
große Bogen der Hinterfront blieb dagegen noch zurück
wegen Mangels an Wölbsteinen, doch konnte die Hinter-
mauerung der Wölbungen mit gewöhnlichen Mauer-
steinen fortschreiten. Die Gewölbe erreichten eine Höhe
Die
Fensterstürze der ersten Etage wurden nachträglich
eingewölbt, auch erfolgte bereits das Versetzen der
Sandsteinarbeiten zu den Schallöffnungen der Glocken.
Der Baurapport über August besagt, daß die beiden
von 29 Fuß über dem ersten Hauptgesimse.
großen Bogen der Längsfronten geschlossen seien; dann
wurde der erste Bogen über dem Altarraum begonnen
und zum Schluß gebracht. Außerdem führten die
Maurer an allen vier Wölbungen die zweiten Bogen bis
über die Höhe der Widerlager der dritten Bogen aus
und holten bis zu dieser Höhe auch die Hintermauerung
der Gewölbe nach. Die Arbeiten an den zweiten Bogen
der großen Fenster gingen fort, so daß sie Anfang
September fertig sein konnten.
Im Innern stellte man mit Benutzung der Bogen-
gerüste eine Lehrrüstung auf, damit die nach Einwöl-
bung des dritten großen Bogens zur Ausführung kom-
menden Zwickel und der diesen zum Schluß dienende
Kranz mit um so größerer Genauigkeit und Sicherheit
ausgeführt werden konnten. Zu Ende geführt wurden
darauf im September der zweite Fensterbogen an der
linken Seite, der zweite Bogen des großen Tonnen-
gewölbes vorn, der zweite Fensterbogen an der rechten
Seite, der zweite Bogen des Gurtbogens hinten, gegen
den sich die Kuppel der Altarnische lehnen sollte, der
zweite Bogen des großen Tonnengewölbes auf der
rechten Seite, der desgleichen hinten und derselbe auf
der linken Seite. Somit waren am 27. September die
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zweiten Bogen sämtlicher Tonnengewölbe und die
Fensterbogen geschlossen. Auch an den dritten Bogen
gingen die Arbeiten bereits weiter und auch die Hinter-
mauerungen konnten stattfinden. Der Oktober brachte
dann den Schluß sämtlicher dritter Bogen und damit
die Vollendung der großen Gewölbe (17. Oktober). Die
Hintermauerung und die Aufführung der Wände der
Schallöffnungen erreichten bis zum 27. die Gleiche des
Architravs im zweiten Geschoß. Die Öffnungen waren
Ende Oktober fertig. Im November erfolgte die Ein-
deckung der oberen Mauerflächen und der Gewölbe-
scheitel.
Eingriff des Königs, Winter 1832—1833.
Nun aber ereignete sich ein Zwischenfall, der für die
Zukunft des Gesamtbaus von größter Bedeutung werden
sollte. Der Königliche Bauherr, dem ja vom Stadtschlosse
her der werdende Bau stets vor Augen stand, war mit den
Fortschritten der Arbeiten gar nicht zufrieden und hatte
sich darüber, sowie über die in seinen Augen verantwort-
liche Persönlichkeit, den Bauleiter Persius, augenschein-
lich höchst ungnädig geäußert. Der sonst so ruhig und
gelassen erscheinende Königliche Herr war recht inner-
lich empört darüber, daß seinen Wünschen so wenig
Rechnung getragen wurde. Er wollte endlich das Dach
mit den Türmen, die ihm als eigene Schöpfung so am
hatte den
Anschein, als würde bei dem langsamen Fortschreiten, das
Herzen lagen, fertig vor sich sehen. Es
zeitweilig ein Stillstand zu sein schien, die für 1833 in Aus-
sicht genommene Turmanlage nicht zustande kommen.
Alle Behörden befanden sich infolge der königlichen
Ungnade in Alarmzustand. Maaßen berichtete in Eile
am 14. November 1832 an den Innenminister, der König
habe Auskunft über den Nikolaibau verlangt, weshalb
der Bau im Verhältnis gegen die früheren Jahre jetztnicht
rascher fortschreite und weshalb die Aufführung der
Türme noch nicht begonnen sei? Der Oberpräsident
von Bassewitz, mit dem der Herrscher in Potsdam in
nächster Beziehung stand, beeilte sich, den Unwillen
des Königs zu besänftigen. Bassewitz’ «Anzeige» vom
13. ist wohl durch eine Anfrage des Königs zunächst
bei ihm veranlaßt worden, der Oberpräsident wird sofort
den Finanzminister benachrichtigt haben, der, wie wir
sahen, die Meldung an das Innenministerium weitergab.
Friedrich Wilhelm hat vermutlich unwillig gefragt, wer
überhaupt der verantwortliche Bauleiter in Potsdam sei,
da sich niemand um die Bauangelegenheiten zu küm-
So erklärt sich die Bassewitzsche Mit-
«Der ausführende
mern scheine.
teilung: Baumeister ist der Bau-
inspektor Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen,
Persius, unter der Autorität des Baurats des (Regie-
rungs-)Kollegii, Regierungsrat Redtel, das Ganze steht
jedoch unter der technischen Oberdirektion des Ober-
baudirektors Schinkel. »
In dem beiliegenden Berichte von Persius, den Redtel
hat, daß 1832
die erste Etage vollendet sei, die großen Bogengewölbe
mitunterzeichnet wird festgestellt,
und die zweite Etage seien bis zum Architrav aufge-
mauert. Über den Grund gewisser Verzögerungen
äußert sich Persius folgendermaßen: «Am 15. Februar