Full text: Potsdam ([Band 1])

DIE ST. NIKOLAIKIRCHE 
  
37. Ansicht der Kirche, noch ohne 
Glocken 
Auf eine weitere Schwierigkeit bei der Einrichtung des 
Gotteshauses deutet ein Brief von Persius an Albrecht 
vom 5. Oktober hin: «Da nach dem Befehl Seiner Ma- 
jestät des Königs die Kirche keinen Turm erhalten sollte, 
fand sich keine schicklichere Stelle für das Aufhängen 
der Glocken vor, als die beiden vorderen Ecken der 
Kirche, wo die beiden Glockenkammern, so hoch es zu- 
lässig, neu angelegt worden sind. Nun sind diese Eck- 
pfeiler zugleich die Widerlagmassen, wozwischen die 
massiven Gewölbebogen der Kirche gespannt sind, und 
da sich fürchten ließ, daß durch bewegliche Glocken in 
der gewöhnlichen Art diese Pfeiler leicht zum Nachteil 
für die große Spannung der Gewölbe erschüttert werden 
könnten, ward es vorgezogen, festhängende Glocken zu 
wählen, welche vermittels einer besonderen Vorrichtung 
durch Anschlagen metallener Kugeln geläutet werden. 
Diese Vorsicht war um so notwendiger, da die Erfahrung 
gezeigt hat, daß bei vielen Bauwerken der älteren und 
selbst der neueren Zeit die beweglichen Glocken häufig 
der Grund der Zerstörung der massivsten Konstruk- 
tionen gewesen sind. Der Schall der festhängenden 
Glocken ist übrigens nach den angestellten Verglei- 
chungen aber nicht um vieles schwächer als der von ge- 
wöhnlichen Glocken. Daß aber die Glocken der St. Ni- 
kolaikirche schwächer klingen, liegt zum großen Teil an 
der oben erwähnten ungünstigen Aufhängung, indem die 
Glockenkammern nur nach zwei Seiten hin Öffnungen 
haben konnten. Dazu kommt noch, daß die drei vorhan- 
denen Glocken nicht in einer Glockenkammer Platz finden 
konnten und daher zwei dergleichen angeordnet werden 
mußten, was veranlaßt, daß von dem nahestehenden 
Hörer nur die zunächst hängenden Glocken vernommen 
werden und der Klang der entfernter hängenden ver- 
loren geht. Bei einer größeren und gleichmäßigeren Ent- 
Kuppel. 
Guasch von Schultz 1842 
fernung des Hörers wird dies dagegen ausgeglichen. » 
Augenscheinlich hatten Bedenken über den Glocken- 
klang, die in der Nikolaigemeinde laut geworden 
waren, ihren Weg zum Ohr des Königs gefunden, und 
dieser hatte sich durch seine Anfrage, vermutlich auch 
durch eigene Kenntnis, zum Dolmetsch einer weit ver- 
breiteten Meinung gemacht. Die Auskunft zeitigte keine 
weitere Folge, aber eine Mißstimmung blieb. Ein den 
Ereignissen noch nahestehender Berichterstatter hebt 
den «seelenlosen» und «fast widerwärtigen» Klang der 
nicht zu schwingenden flachen Glocken hervor. 
Über die Anordnung der Glocken sind wir durch eine 
Zeichnung Gebhardts von 1837 unterrichtet. Sie ist be- 
zeichnet und trägt die Beschriftung: Zeichnung eines der 
Glockenräume der St. Nikolaikirche zu Potsdam nebst 
Angaben der Konstruktion der Schallöffnungen des- 
selben. Es handelt sich um den vorderen rechten Eck- 
pfeiler (nach Osten). Hinter den nach Süden und Osten 
gelegenen dreigeteilten Fenstern der oberen Ecke liegen 
zwei im rechten Winkel aufeinanderstoßende rechteckige 
Räume, an deren Enden (nach Westen und Norden) die 
Glocken angebracht sind, die mit einer an einer Feder 
befestigten Kugel angeschlagen wurden. Das Inventar 
der Kirche, Potsdam, den 1. Juni 1838, besagt: Ober- 
halb der beiden vorderen Widerlagpfeiler sind die Glok- 
kenkammern angebracht. Pfeiler links: eine größere; 
rechts die beiden kleineren Glocken sind abweichend 
von den gewöhnlichen Formen (also wohl beckenartig) 
angefertigt und werden durch Anschlagen von metalle- 
nen Kugeln mittels einer besonderen Vorrichtung ge- 
läutet, da bewegliche Glocken wegen der allein nur mög- 
lichen Aufstellung auf Widerlagpfeilern nicht zulässig 
waren, wo durch das Läuten leicht ein nachteiliger Ein- 
fluß auf die ungewöhnlich große Bogenspannung hätte 
herbeigeführt werden können. 
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