DIE ST. NIKOLAIKIRCHE
Riehls Nachrichten (in seiner Geschichte der Ni-
kolaikirche 1850) unterrichten uns über diese Dinge in
zuverlässiger Weise. Er sagt: « Zu noch größerer Sicher-
heit wurde weiter im Aufbau der Kuppel (nach Einzie-
hung neuer Bogen über den alten Kreuzarmgewölben
und sorgfältiger Verankerung des Unterbaus) jede irgend
tunliche Verminderung der Belastung angeordnet, was
teils durch Nischen und Pfeilerstellung, durch lotrechte
Kanäle in der Mauer des Tambours und Aushöhlung der
Sandsteinsäulen und Architrave, teils durch Anwendung
leichten Materials, nämlich der aus einer Infusorienerde
gebrannten Steine und der Zinkgußverzierungen (z.B.
Kapitäle und Akroterien), soweit das ohne Gefahr für
die nötige Festigkeit des Baues zulässig erschien, er-
reicht wurde.» Kapitäle und Akroterien sind zur Hälfte
von der Zinkgußfabrik Kahle in Potsdam, zur Hälfte
von der Geißschen in Berlin geliefert worden.
«Innen wird die äußere Kuppelschale durch ein auf
kleinen Walzen ruhendes ebenso dauerhaft als zierlich
und sinnreich aus Eisen in der Borsigschen Eisengießerei
und Maschinenbauanstalt zu Berlin gefertigtes Gerippe
von 56 Doppelbogen gebildet, welches über einer Holz-
verschalung durch die Klempnermeister Fischbach und
Kahle mit Kupfer der Art eingedeckt ist, daß auf diesem
28 vergoldete Rippen mit gleichfalls vergoldeten Nagel-
köpfen hervortreten und nach der Spitze hin zusammen-
laufen, während sich dazwischen runde Fenster in drei-
facher Reihe übereinander befinden, deren unterste
Reihe, mit großen Spiegelscheiben eingesetzt, treffliche
Rundgemälde der Umgebung bequem beschauen läßt.
Die letzte Spitze des ganzen Baues ist 46 Fuß hoch,
unterhalb umgeben dieselbe außen herum zwischen Säu-
len stehend sieben vergoldete, von Kahle in Zink ge-
gossene Engelsgestalten, indes sie über der gläsernen
Laterne in ein auf einer Weltkugel sich erhebendes Kreuz
bedeutungsvoll ausläuft. Die Gesamthöhe bis zu dieser
äußersten Spitze beträgt 245 Fuß. (Abb. 38.)
Die Ecktürme erscheinen, soweit der Grundbau reicht,
sehr fest und massiv, mit kleinen Lichtöffnungen zur Er-
hellung der gußeisernen Treppen im Innern versehen,
aufgeführt. Sie ragen über jenen noch 57 Fuß empor,
so daß sie etwa 100 Fuß niedriger als die Hauptspitze
sein mögen, und sie tragen über dem Grundbau in offe-
nen Räumen, an eigenen, teils eisernen, teils hölzernen
Glockenstühlen schwebend, die von Hackenschmidt in
Berlin gegossenen und mit passenden Emblemen und
Inschriften versehenen Glocken von 32 Zentnern, 17 Zent-
nern 5 Pfund, 9 Zentnern 82 Pfund und 4 Zentnern
20 Pfund, in allem also von 62 Zentnern 107 Pfund
Schwere, deren vollklingendes harmonisches Geläut ge-
wiß ein um so angenehmerer Gewinn für unsere Stadt
ist, als gerade das frühere der St. Nikolaikirche einen
fast widerwärtigen Eindruck machte. Über den Glocken
endlich geht der viereckige Bau, von einem Gesims be-
krönt,in einen Rundbau über, und dieser endigt in einer
schlanken Spitze, auf der nach der Ecke des Gebäudes
hin gerichtet, die Gestalt eines nach Kißschem Modelle
von Geiß in Zink gegossenen Engels sich erhebt. »
Wohl mit Rücksicht auf die Engel auf den vier Turm-
spitzen ist man von dem ursprünglichen Gedanken
Schinkels abgegangen, nämlich auf die oberste Spitze
über der Kuppellaterne einen riesigen Engel zu stellen.
Er wurde durch das auf der Weltkugel stehende als
Weltsymbol des Christentums aufgefaßte mächtige
Kreuz ersetzt, in dessen Aufstellung wir wohl mit
Sicherheit eine eigene Idee des Königs Friedrich Wil-
helm IV. vermuten dürfen. Hatte Schinkel bei der
Außengestaltung das Kreuz vermieden, so wollte er wie
seine Entwürfe zeigen, es im Innern um so nachdrück-
licher in die Erscheinung treten lassen. Hinter dem
Altar oder im protestantischen Sinne dem Abendmahls-
tisch sollte ein großes Marmorkreuz stehen, an ihm hän-
gend und gleichzeitig auf einer Weltkugel stehend die
Gestalt des gekreuzigten Heilands.
Dieser Plan des Meisters, schon in einem Entwurf von
1819 festgelegt, war aber nicht zur Ausführung gekom-
men; Friedrich Wilhelm III. hatte ihn abgelehnt. Der
Nachfolger auf dem Throne ließ von Friedrich Tieck
wohl in Erinnerung an jenen ursprünglichen Gedanken
ein Marmorkreuz mit einem Christuskopf an der Kreu-
zung der beiden Balken aufstellen.
Im Jahre 1844 mauerte man die vier Ecktürme bis zur
Höhe des Unterbaus auf und brach die alten für die Aus-
führung des Kuppelbaus hinderlichen Bauteile (z. B. die
Flachkuppel über den Gewölbzwickeln) ab. Im Unter-
bau wurden die Anker eingelegt und die Ausführung der
neuen Tonnengewölbe über den alten bewerkstelligt.
Die Einwölbung der neuen etwas größeren Zwickel ge-
schah im folgenden Jahre (1845), sie erhielten eine
Stärke von 8 Fuß. Die Stufen für die Säulenhalle des
Tambours waren im Werden, die Trommel gedieh bis zu
31 Fuß Höhe. Mitten aus all diesen Arbeiten wurde der
leitende Baumeister, Ludwig Persius, im Juli 1845 durch
einen unvermuteten Tod herausgerissen. An seine Stelle
trat als sein Nachfolger August Stüler, unter dem der
bewährte Landbaumeister Prüfer das Werk weiterführte.
Die Vollendung der Kuppeltrommel und die Aufsetzung
der beiden Kuppeln, der inneren und äußeren, fällt dann
in die Jahre 1846 und 1847, im Revolutionsjahre 1848
konnten alle Rüstungen abgenommen werden.
Die innere Ausschmückung erfolgte hauptsächlich im
folgenden Jahre. Am Palmsonntag, dem 24. März 1850,
konnte die Kirche eingeweiht werden.
Für die Innenausstattung kamen als königliches Ge-
schenk 1849 hinzu: ein Altarbaldachin auf vier Säulen
gelblichen venezianischen Marmors und das bereits er-
wähnte von Friedrich Tieck geschaffene Marmorkreuz
hinter dem Altar. Die malerische Ausschmückung hatte
Cornelius geleitet, für die bildhauerische hatten sich
Rauchschüler betätigt. Als Kunstmaler beim Bau wer-
den genannt: Bonk, Eich, Elster, Holbein, Lengerich,
Lompeck, Molenaer, Ossowsky, Pfannenschmidt, Schütz,
Schulz, Stürmer, von Bildhauern: Afınger, Berges,
Bräunlich, F. Dietrich, Früh, Kiß, Koch, Laucken, C.
Möller, Müller, F. Piehl, Stürmer, Stützel, Friedrich
Tieck, Wittig, Wittmann.
Es kommt in diesem Zusammenhange nur darauf an,
festzustellen, welche Anregungen Schinkels zur Ausge-
staltung des Inneren bei der Einrichtung von 1849 be-
achtet worden sind. Die Idee der Bemalung der Altar-
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