10 Negniex (Mathurin) Negredienterbin
reicher Männer, in deren Gefolge er angenehme und lehrreiche Reifen machte. So nahm
ihn der Herzog von Crequi 1662 als Secretair mit nah Rom, wo er die ital. Sprache ſich
ſo zu eigen machte, daß die Crusca eine ſeiner Oden, welche ihr durch den Abbé Strozzi vör-
gelegt wurde, für ein Werk des Petrarca hielt und ihn zum Mitglied aufnahm. Auch die
ſpan. Sprache hatte er vollkommen inne. Jm 36. Jahre trat er, da ihm das Priorat von
Grand-Mont übertragen war, zum geiſtlichen Stande über, und zwei Jahre darauf, 1670,
wählte ihn die franz. Akademie zum Mitgliede, deren beſtändiger Secretair er 1684, nah
dem Tode Mezerai's, wurde. Jhm vorzüglich wurde die Herausgabe des ¡Dictionnaire de
l'académie“/ übertragen, von dem 1694 die erſte Ausgabe erſchien. Wichtige Dienſte lei-
ſtete er der Akademie in dem Streite mit Furetière, der ſeines „Dictionnaire“/ wegen von
dieſer gelehrten Corporation ausgeſchloſſen wurde. (S. Jn ſtitut.) Auch iſt R. Verfaſſer
der im Namen der Akademie erſchienenen „Grammaire franç.“/ (2 Bde. , Par. 1676), die
zwar Anfoderungen auf philoſophiſche Behandlung nicht genügt, aber doch wichtige Unter-
ſuchungen und gründliche Bemerkungen enthält. Geringer ſind ſeine Verdienſte um die Ge-
ſchichte. Seine „Histoire des démélés de la France avec la cour de Rome, au sujet de
laffaire des Corses (Par. 1707, 4.) iſt zwar aus Originalacten geſhopft, ihr mangelt
aber der echte hiſtoriſche Geiſt. Zu ſeinen beſſern Arbeiten gehören feine Überfegungen von
Cicero’s „De divinatione““ und „De finibus bonorum et malorum (Par. 1720 und
1721), auch die ital. Überſezung der „, Oden ‘/ Anakreon?s (Par. 1693, und dann 1694,
mit den Nachbildungen von Corſini und Salvini). Noch in ſeinem 80. Jahre ſammelte
er ſeine Gedichte und gab fie unter dem Titel „‚Poesies franc., lat., ital. et espagnoles”
(Par. 17085 neue Aufl., 1716 und 1750) heraus. Die ital. und ſpan. Gedichte wurden
jedoch in Rom und Spanien höher gefchägt, als die franzöſiſchen in Frankreich, wo die ziem-
lich gewandte Form für den poeſieloſen Inhalt einen ungenügenden Erſatz zu bieten ſchien.
Er ſtarb am 6. Sept. 1713.
Negnier (Mathurin), der Schöpfer der claſſiſchen Satire in Frankreich und vielleicht
noch jegt der auögezeichnetfte fatirifche Dichter feiner Nation, geb. zu Chartres am 21. Der.
1573, entwidelte fchon früh unter Anleitung feines Dheims, des Dichters Desportes, fein
poetiſches Talent. Jm Genuß der Pfründe eines Kanonikats von Chartres und vom Cardi=
nal Franz von Joyeuſe und dem Geſandten Philippe de Bethune, mit denen er zweimal
Nom beſucht hatte , auf das freigebigſte beſchenkt, führte er ungeachtet ſeines geiſtlichen
Standes ein genußreiches Leben. Seiner von ihm ſelbſt verfertigten Grabſchrift zufolge lebte
er ſorglos hin und richtete ſich ganz nach dem ſüßen Naturgefeg; im 30. Jahre ein Greis,
ſtarb er im 40. Jahre an Entkräftung am 22. Oct. 1613. Den Beinamen le bon Regnier
erhielt er wegen der Freundlichkeit ſeines Weſens und weil er, andern ſatiriſchen Dichtern
unähnlich, ſich eigentlich perſönlicher Angriffe im Allgemeinen enthielt. Seine Satiren,
16 an der Zahl, ſind, obgleich fie der Form nach an Perſius und Juvenal erinnern, durchaus
von originellem Gepräge, und bieten einen reichen Schas der glüdlichften Beobachtung und
des treffendften Wiges. Jn ſeiner energiſchen Sprache f{hließt er ſich enger an Ronſard, als
an Malherbe an, deſſen willkürliche Neuerungen er an mehren Stellen dem Gelächter preis:
gibt. Diejenigen Ausgaben ſeiner Werke, welche noch bei ſeinen Lebzeiten erſchienen , ſind
ungenau und voll grober Fehler, weil er auf ihre Redaction nur eine geringe Sorgfalt ver-
wenden mochte. Den erſten Verſuch, ihren Text kritiſch zu ſichten und die ſchwierigen Stel-
len zu erklären, machte Broſſette (Lond. 1729; neue Auſfl., 1735); die beſte Ausgabe aber
iſt die von Viollet-le-Duc (Par. 1822; neue Aufl., 1828).
Regredienterbin. Jm Lehnrecht und Privatfürſtenrecht war es lange Zeit ſehr ſtrei-
tig, ob bei dem Erlöſchen des Mannsſtammes und dem Anfall der Succeſſion an die weib-
liche Linie den nächſten Verwandten des legten Befigers der Vorzug gebühre, oder ob nicht
vielmehr die Erbfolge an die früher ausgefchloffenen Töchter des erſten Erwerbers zurü>-
gehen (regrediren) müſſe, welche daher Regredienterbinnen genannt wurden. Die
wichtigſten Fälle der Art waren folgende. 1) Als mit Heinrich Raspe (\. d.) 1247 der
landgräfliche Mannsftamım in Thüringen erloſch, nahm der Sohn ſeiner ältern Schweſter
Jutta, Markgraf Heinrich von Meißen, Thüringen in Befig; allein die Herzogin Sophie von
Brabant, die Tochter Ludwig's VI, des ältern Bruders Heinrich Naspe's, behauptete, daß
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