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Accommodation 133
Paul UI. in Ungnade, wurde unter Anklage der Veruntreuung in die Engelsburg geſetzt, kaufte
ſich jedoch los und ſtarb 1549 zu Florenz in der Zurüdgezogenheit. A. hinterließ unter an-
derm vorzügliche lat. Gedichte, die in der Sammlung «Carmina illustrium poetarum italo-
rum » (Flor. 1719) erſchienen, — A. (Leonardo und Pietro), zwei Brüder, von denen der
erſtere 1600 Kanzler der öffentlichen Archive zu Florenz, der andere 1609 Profeſſor des kano-
niſchen Rechts in Piſa wurde. Mit Jacopo, dem Sohne des letztern, erloſh die Familie.
Accommodation heißt die Anbequemung an anderer Meinungen, Wünſche, Shwachhei-
ten. Die A. eines Lehrers zu den Fähigkeiten und Vorſtellungen-der zu Belehrenden kann eine
doppelte ſein; zuerſt in der Form des Vortrags, wenn er eine Lehrmethode, eine Art zu erläu=
tern und zu beweifen wählt, welche nicht an ſich die vollkommenſte, ſondern der Beſchaffenheit,
d. i, der Faſſungskraft und den Meinungen der zu Belehrenden, angemeſſen iſ. Beſonders
gehört dahin der Gebrauch ſolcher Beweiſe für die vorzutragende Wahrheit, die aus Sägen,
welche die zu Belehrenden ſchon glauben und feſthalten, mögen ſie auch ungegriindet fein, her=
geleitet werden (argumenta ad homizem, disputatio ex concessìs), ſowie der Gebrauch ſol-=
her ſprahliher Formen, welche zwar der reinen Idee, die man geben will, niht genau ent-
ſprechen, aber den zu Belehrenden ſchon bekannt und geläufig ſind, und daher bei ihnen den
Uebergang von der Form zur reinen Idee vorbereiten und vermitteln. Dieſe A. gehört zur
Lehrweisheit, ſelbſt für einen göttlichen Lehrer, weil der Fortſchritt zur Wahrheit nie ein ab-=
geriſſener Sprung ſein kann, ſondern aus dem Vorhandenen heraus fich entwideln und an das
Borhandene anknüpfen muß. Darum fanden es ſchon die älteſten Kirchenväter unbedenklich,
zu behaupten, daß auch Gott bei der Offenbarung ſich nah den Fähigkeiten der Menſchen in
ſeinem Reden, Thun und ſeinen Anordnungen gerichtet habe. Sie nannten dieſes ovyxar&-
Basıs (Synfatabafis), die Lateiner condescensio oder demissio. Die W, kann aber auch zwei=
tens geſchehen in der Materie, die der Lehrer vorträgt, und findet ſtatt, wenn der Lehrer die
irrigen Vorſtellungen der zu Belehrenden ſelbſt zu billigen ſcheint, indem er entweder (negativ)
dieſe Irrthümer nicht beſtreitet, ſondern ſtehen läßt, oder (poſitiv) dieſe Irrthümer ſelbſt, un-
geachtet er ſie als irrig erkennt, mit in ſeinen Unterricht aufnimmt und als wahre Sätze vor-
trägt, um dadurch die zn Belehrenden für andere Wahrheiten zu gewinnen oder doc) ihnen
nicht geradezu anſtößig zu werden. Der Unterſchied, ob der Lehrer ſih ſeines Accommodirens
durch Neflexion bewußt werde oder nicht, iſt hier niht anwendbar, da eine unbewußte A. keine
A. mehr, ſondern ein Theilnehmen an dem Irrthum iſt. Die A. in der Form ließen auch die
Supranaturaliſten ſtets gelten, aber nicht in der Materie. Dieſe aber nahm man im vorigen
Jahrhundert bei Zeſu an, nachdem man die Vorſtellungen von dem Dämonifchen des Neuen
Teſtaments für eine bloße jüd. Zeitvorſtellung erkannt hatte und Grund zu haben glaubte,
auch die Vorſtellungen vom Teufel, den Engeln, dem Meſſiasreiche, dem Gerichte, der Auf-
erſtehung u, w. als jüd. Zeitvorſtellungen anſehen zu müſſen. Man behauptete daher, Jeſus
habe aus Schonung ſeiner Zeitgenoſſen, und um ſie für die höhere Wahrheit zu gewinnen, dieſe
Vorſtellungen theils nicht beſtritten, theils in ſeine Vorträge eingewebt, ohne jedoch damit be-=
ſtimmen zu wollen, daß ſie für alle Zeiten Wahrheit ſein ſollten. Vielmehr habe man dieſe
unter den Juden gangbaren Vorſtellungen von der reinen Lehre Jeſu, welche nux die rein
«moraliſchen » Wahrheiten umfaßt habe, zu ſcheiden, So der ältere Nationalismus in der
letsten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, der auf dieſe Art den geſtörten Frieden zwiſchen Ver:
nunft und Erfahrung mit dem herkömmlichen theol. Syſtem wiederherſtellen zu können ver-
meinte. In neuerer Zeit iſt der Streit über die A. ziemlich entfchlafen, indem die neuere
Philofophie (Schelling, Hegel) die kirchlichen und bibliſchen Säge in ihrem hiſtor. Sinne un-
angefochten ließ, aber die kirhlihen Wörter und Formeln mit großer Kühnheit im philoſ. Sinne
umdeutete, der neuere Nationalismus aber, die geſchichtliche und fittliche Unhaktbarkeit der
ältern Accommodationshypotheſe erkennend, der Frage, ob Jeſus ſih accommodirt habe oder
nicht, ſich ganz entſhlagen konnte, weil ex (beſonders Bretſchneider, weit geiftreicher Ammon,
am tiefiten und gründlichſten Schleiermacher) nahwies, daß die religiöſen Ideen ſelbſt nur
allein das Weſentliche in jeder Offenbarung ſein können, daß aber thre Bekanntmachung und
thre Form oder ihre Auffaſſung in dem menſchlichen Gemüthe dem allgemeinen Geſetze der
allmählichen Entwidelung und Fortbildung unterworfen und durh den Reflex der Welt-
anſhauung jedes Zeitalters bedingt ſei, ſodaß jede Offenbarung ſich nothwendig an die Cultur-=
ſtufe ihrer Deit anſchließen, in den Borſtellungskreis ihres Zeitalters eintreten und aus dieſem
heraus, als hiſtor, Uebergangsſtufe, ſi entwideln müſſe. Es gilt hiernach, die einſt für ihre
Zeit nothwendige Form mit Beſonnenheit zu zerſchlagen, um aus ihr unſerm Bildungsſtande