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der Sache herausſtellt, und unter der Bedingung geſtattet, daß er den Proceß nicht für die
Gegenpartei weiterführt. Für ſeine Bemühungen kann er die taxmäßigen Gebühren (Deſer-
viten, Sporteln) in Anjag bringen; er darf fich jedoch nicht neben dieſem Honorar eine Extra-
belohnung für den Fall des Stegs (palmarium) oder ftatt jenes einen Antheil an dem Streit-
gegenftande bedingen (pactum de quota litis), Dafür haftet ex aber auch den Auftraggebern
für jeden erweislihermaßen durch ſeine Argliſt oder Nachläſſigkeit erwachſenen Schaden, und
wird bei Dienſtvergehen je nah deren Schwere mit Verweiſen, Geldbußen, Suspenſion oder
Entfernung vom Amte beſtraft. Was den Geſchäftskreis der A. anlangt, ſo iſt derſelbe nath
gemeinem Recht keineswegs eng umſchrieben. Sie führen in Strafſachen die Vertheidigung,
inſtruiren in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten den Proceß und verfechten die Sache ihrer Clienten
fowol in juriſtiſchen als, inſoweit es die Form des Verfahrens zuläßt, auch oratorifchen Aus-
führungen, fertigen Geſuche, Vorſtellungen, Contracte und Letzte Willen; übernehmen Cura-
telen und ſonſtige Vermögensverwaltungen , vermitteln Anlehen ſowie deren Sicherung durch
Hypothekenbeſtellung, ertheilen Rath und Einſchlag, und betreiben, wenn ſie zugleich die Eigen-
ſchaft eines Notars (\. d.) erlangt haben, daneben auch die Notariatspraxis.
Die Stellung und die Befugniſſe der A. ſind jedoh in Deutſchland nicht ausschließlich
nah gemeinem Recht zu beurtheilen, da die einzelnen Landesgefeggebungen hieriiber manches
Abweichende und Beſondere enthalten. Eir®noch heutzutage nicht ſtillſtehender Wechſel der Mei-
nungen läßt darin bald das Mistrauen in die Einſichten des Publikums und die Abſicht der
Bevormundung, bald eine Parteinahme für die nicht ſeltene Abneigung des Publikums gegen den
Advocatenſtand, bald (wenigſtens neuerdings) das Streben hervortreten, dur<h Vereinfachung
der Geſchäfte, Conſolidirung des Standes und Einleitung einer Selbftanfficht unlengbare Mig-
ſtände zu heben. An die frühere Alleinherrſchaft des Bevormundungsſ\yſtems erinnert zunächſt
das öſterr. Recht, wenn es dem Nichtadvocaten die Abfaſſung von Proceßſchriften in ſeiner eige-
nen Sache für gewöhnlich unterſagt und dieſen anweiſt, ſich dazu eines Rechtsanwalts zu be-
dienen, Nach der allgemeinen Gerichtsordnung für die preuß. Staaten beſteht dieſer Advocaten-
zwang gleichfalls inſofern, als ſolche Perſonen, welche dem höhern Beamtenſtande nicht angehören
oder'die Befähigung zum Richteramte nicht beſien, zu beſtimmten wichtigern Proceßhandlungen
einen Rechtsanwalt zuziehen müſſen. Aehnliche Vorſchriften enthält das bair. Recht. Andere
Territorialrechte, wie das hannov. und fächf., haben dagegen das gemeinre<tlihe Princip der
freien Stellvertretung bewahrt, wonah die Annahme eines Nechtsbeiſtandes dem Belieben
der Partei anheimgegeben iſt. Während ferner hinfichtlich der Bedingungen und der Schritte
zur Erlangung der Advocatur faſt überall Abweichungen beſtehen, ſtimmen die Geſetze der
meiſten deutſchen Staaten wieder darin überein, daß nicht alle, welche jene Bedingungen erfüllt
haben, ſondern von Zeit zu Zeit nur eine beſchränkte Anzahl derſelben als A. zu immatricu-
liren ſind. Es liegt dem noch die Befürchtung zu Grunde, daß der gemeine Mann bei einer
Freigebung der Advocatur für alle dazu Befähigte von den überzähligen, beſhäftigungsloſen
Anwälten beemflußt umd zu einer Vermehrung der Proceſſe verleitet werden möchte. Inglei=
hen ſoll die Fernhaltung ſo vieler jüngerer Zuriſten von der Begründung einer unabhängigen
Exiſtenz den Zugang von Bewerbern um die niedrigbefoldeten untern Stellen bei der Zuſtiz
und Verwaltung befördern. Derartige Beſchränkungen laſſen zunächſt befürchten, daß es in
ärmern oder entlegenen Orten an Nechtsbeiſtänden fehlen möchte, und ziehen daher nothwendig
eine andere beſchränkende Einrichtung nah ſi, vermöge welcher jedem A. ein beſtimmter
Wohnſiß angewieſen wird. Es haben dann die bei dem oder jenem Gericht Recht leidenden
Perſonen nur unter einer beſtimmten Anzahl von A. die Auswahl. Bei dieſer Conſequenz
ſind z. B. Preußen und Oeſterreich angelangt. Lebßteres hat noh beſondere Landadvocaten,
welche nur zur Praxis auf dem flachen Lande befugt ſind, desgleichen Hof-, Kriegs- und Berg-
gerihtsadvocaten. Früher wirkte auh anderwärts die Niiſicht auf die zahlreichen Privilegien
hinſichtlih des Gerichtsſtandes dahin, daß das advocatoriſche Auftreten bei den höhern Zuſtiz-
ſtellen von dem Gewinnen der juriſt. Doctorwürde und einer beſondern Verpflichtung abhängig
gemacht und daß eigene Oberhofgerichts- und Regierungsadvocaten creirt wurden. Mit der
Abſicht einer feſtern Begrenzung des Geſchäftskreiſes hängt es zuſammen , wenn, wie neuer-
dings im Königreich Sachſen, die Verbindung der Notariats- und der advocatoriſchen Praxis
für unzuläſſig erklärt wird. Es iſt dies das Syſtem des franz. Rechts, welches noch ſeit der Zeit
des erſten Napoleon in den preuß. , heſſ. und bair. Rheinlanden ſeine Geltung behauptet hat.
Die franz. Einrichtungen hinſichtlich des Advocatenweſens bieten überhaupt viel Abwei-
chendes, Sie beſtimmen die Stellung der Anwälte in Rückſicht auf die Fiction, daß die Proceß-