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Afghaniftan 251
entſprach vollſtändig die eigenthünliche Stammverfaffung, in welcher fich charakteriftiiche Züge
der älteſten medo-perſ. Weiſe erhalten haben; aber auch jezt, gegenüber dem Alleinherrfcher,
ſind die Unterſchiede der einzelnen Uluß oder- Stämme mit ihren Khanen durchaus nicht auf-
gehoben, ſondern nur verde>t. Auch die neuere Organiſation des Militärweſens entſpricht
no der Luſt des Afghanen am Kriege. Nach dem Muſter der britiſh-indiſhen Truppen find
durch Doſt Mohammed 18 Regimenter Infanterie und 4 Regimenter leichte Dragoner ge-
bildet worden, welche aber weit durch die Miliz überboten werden. Man hat dabei die alten
Luntengewehre durch beſſere, theils aus Indien, theils aus Perſien bezogene Waffen zu erfegen
gewußt. Für Handel und Induſtrie befist der Afghane feinen Sinn; er überläßt dies den
Tadſchiks, Hindkis und Armeniern.
Die Sprache, Puſchtu oder Pukhtu (nach den beiden Hauptdialekten, dem öſtlichen und
weftlichen) genannt, hat troß ihrer Verwilderung, befonders in den Lautverhältniſſen, doh alle
hervorragenden Eigenſchaften der iraniſhen Sprachfamilie, zu der fie gehört, bewahrt; aber
ſchon die treue Ueberlieſerung eines dem Propheten Mohammed beigelegten Wortes, daß das
Puſchtu die Sprache der Hölle ſei, könnte für die Theilnahmloſigkeit des Afghanen an aller
literariſhen Thätigkeit zeugen. Daher begegnet man ſchriftſtelleriſhen Verſuchen erſt ſehr ſpät
und nur in Anlehnung an perſ. Vorbilder, theils in Behandlung romantiſch = epiſcher, theils
auch lyriſcher (beſonders myſtiſcher) Stoffe. Einer der früheſten und zugleih berühmteſten
Dichter iſt Abdurrahman aus dem Diſtrict von Piſchawer, ein gelehrter Sufi. Ferner ſind
zu nennen: Mirza-Khan Anßari, der in der erſten Hälfte des 17. Jahrh. dichtete; Khuſchhal-
Khan Khattak, ſein Zeitgenoſſe, der einen Aufenthalt in Indien nahm; beſonders aber Ahmed-
Schah Abdali, der Gründer der Duranidynaſtie. Außerdem fehlt es nicht an hiſtor. und
religiöſen Aufzeichnungen; doch geht keines dieſer Stü>e über das 15. Jahrh. zurü>. Es iſt
faum zu erwarten, daß die afghan. Literatur unter günſtigen polit. Verhältniſſen einen be-
deutenden Aufſhwung nehme, da ihre Selbſtändigkeit ſchon vollſtändig dur den eingedrun-
geneu perſ. Sufismus gebrochen iſt.
Die Afghanen treten ſehr ſpät erſt in die Geſchichte klar erkennbar ein. Zwar erſcheint ihr
Name ſchon in den Paktyern des Herodot; ihr heutiges Gebiet wird zum Theil mit dem Vaekereta
des Avefta gemeint fein, ebenfo mit den Bezeichnungen der alten eographen Drangiana und
Ariana. Aber es iſt mehr als zweifelhaft, daß Stämme der heutigen Einwohnerſchaft ſchon
damals in dieſen Grenzen ſaßen. Von nahen Beziehungen zu Indien zeugen nod) heute die
buddhiſtiſhen Koloſſe von Bamijan. Zuerft werden die Afghanen deutlich genannt in den
Kriegszügen des Mahmud von Ghazna. Die Nachwanderungen fanden indeß ſehr allmählich
und langſam ſtatt, und noh im 14. Jahrh. ſaßen einzelne, jetzt berühmte Stämme außerhalb der
heutigen Grenzen. Später noch wohnten die Kafirs maſſenhaft in Oſtaſghaniſtan, wie damals
wahrſcheinlich auh die Tadſchiks in Weſtafghaniſtan als herrſchender Stamm. Die Epoche der
perſ. - mongol. Herrſchaft öffnete den kühnen, kciegeriſhen Stämmen den Weg ins Land; doh
ſammelten ſi dieſelben erſt um die Mitte des 18. Jahrh. zu cinem geſchloſſenen Auſtreten.
Sie waren den Perſern, beſonders zuletzt unter der energiſchen Negierung Nadir =Schah's,
unterthan geweſen. Als nach deſſen Tode (1747) in Perſien ſelbſt Unruhen ausbrachen, benuste
der dem Geſchlecht der Abdali entſproſſene Ahmed-Schah (1747—73) die Gelegenheit, das Joch
der den Afghanen auch um ihres abweichenden mohammed, Glaubens willen verhaßten Perſer
abzuwerfen. So begründete ec, theils in kriegeriſhem Trot, theils voll Fanatismus, die Dy-
naſtie der Durani oder Abdali. Sein Sohn Timur ſtarb 1793, ohne über die Erbfolge ent-=
ſchieden zu haben, und defjen zweiter Sohn Siman maßte fi den Thron an. Nachdem er
den ältern Bruder aus Kandahar vertrieben und dur Blenden unſchädlih gemacht, ſchlug er
die dreimaligen Kronbeſtrebungen des andern Bruders, Mahmud, der in Herat refidirte, mit
Glü> zurü> und nöthigte dieſen, auf perſ. Gebiete Schu zu ſuhen. Doch bald gewann
Futteh - Khan, das Oberhaupt des mächtigen Geſchlechts der Barakſi, den flüchtig gewordenen
Mahmud, und beide verbanden fich gegen Siman. Sie fetten fich in Befig von Kandahar und
ſtürzten Siman vom Throne, der, ebenfalls geblendet, in Ludiana den Schuß der anglo-indifchen
Regierung unter Zuſicherung einer jährlichen Penſion fand. Doh Mahmud's {hle<tes Re-
giment führte Aufſtände herbei, die mit ſeinem Sturze und der Erhebung ſeines Bruders
Schud-Schah, Statthalters von Piſchawer, endete. Au<h Schud-Schah behauptete ſih niht
lange, und Mahmud beſtieg zum zweiten mal den Thron, deſſen Glanz er durch kriegeriſche Züge
nah Oſten zu heben gedachte. Durch die Hinrichtung ſeines alten Bundesgenoſſen Fulteh-
Khan zog er ſih aber ſolchen Haß der Baraffi zu, daß er 1823 abermals der Herrſcherwürde