Full text: A bis Arad (Band 1)

    
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Agrippa (Cornelius Heinrich) 
der mächtigſte Mann im ganzen Reiche. In der Abweſenheit des Imperators war er Stell 
vertreter des Reichsoberhaupts, durch ſeine Verbindung mit Julia ſogar deſſen präſumtiver 
Nachfolger. In den J. 20 und 19 mehrte ex ſeinen Kriegsruhm in Gallien, dann in Spanien, 
und als Octavian ſih 18 das Imperium auf weitere fünf Jahre verlängern ließ, erhielt A. die 
tribuniciſhe Gewalt auf dieſelbe Zeit. Sodann begab er ſih 17 zum zweiten mal mit den aus- 
gedehnteſten Vollmachten in den Orient, wo er eine tiefgreifende Thätigkeit entwi>elte. Nach 
ſeiner Rückkehr von neuem auf fünf Jahre mit der tribuniciſhen Gewalt bekleidet, ging er bald 
darauf zur Unterdrückung eines Aufſtandes nah Pannonien ab. Auf der Rückreiſe erkrankte 
er jedoh in Campanien und ſtarb im März 12 v. Chr. Octavian, der den Verluſt des Freun- 
des tief beklagte, ließ den Leichnam nach Rom bringen und hielt ſelbſt die Leichenrede. A. war 
ein ausgezeichneter Staatsmann und Feldherr. Wenn auch in erſterer Beziehung vielleicht 
Octavian nachſtehend, überragte er doh denſelben unbeſtritten als Kriegsmann. Von Charak- 
ter re<tſchaffen, furchtlos, raſh entſchieden und thatkräftig, erkannte er die Bedürfniſſe des 
röm. Volks und der Zeit und wußte fein Handeln danach zu bemeſſen. Nach dem Urtheile 
röm. Geſchichtſchreiber hat er die Freundſchaft Octavian's ebenſo zu deſſen Vortheil wie zu 
dem des Volks benutzt. Daneben war A. ein Mann von geläutertem Gefchmad, ein freigebiger 
Beichüter und Förderer der bildenden Kunft, namentlicd) der Baukunſt. Viele der \{hönſten 
und nüslichften Bauwerke feiner Zeit verdanken ihm den Urſprung. Von ſeinen Schriften, 
unter denen fich eine Selbſtbiographie und ein Werk über Waſſerleitungen befanden, iſt nichts 
auf uns gekommen. Unter ſeiner Leitung fand eine allgemeine Vermeſſung und Aufnahme des 
ganzen Römiſchen Reichs ſtatt, deren Ergebniſſe in den «Commentarü A grippae» ſowie zum Theil 
in einer nach dieſen entworfenen Weltkarte niedergelegt wurden. A. war zuerſt vermählt mit 
Cäcilia Attica, mit der er eine Tochter, Vipſania, die Gemahlin des Tiberius, erzeugte. Seine 
zweite Ehe mit Marcella blieb kinderlos; aus der dritten mit der Julia ſtammten drei Söhne 
und zwei Töchter, von denen die jüngſte, Agrippina (f. d.), die Gemahlin des Germanicus 
wurde. Die Söhne des A. wurden von Octavian adoptirt. Vgl. Frandſen, « Marcus Vip- 
fanius A.» (Altona 1836). 
Agrippa (Cornelius Heinrich) von Nettesheim, ein als Schriftſteller, Arzt und Philoſoph 
merkwürdiger Gelehrter, der große Talente und ausgezeichnete Kenntniſſe mit Großſprecherei, 
Ruhmſucht und Geheimnißkrämerei vereinigte, war zu Köln 14. Sept. 1486 geboren. Ganz 
im Geiſte ſeiner Zeit führte er ein abenteuerliches und unſtetes Leben. Seit 1509 als Lehrer 
der Theologie zu Dôle in Franche-Comté angeſtellt, erregte er dur ſeine Vorleſungen großes 
Aufſehen, reizte indeß durch derbe Satire die Mönche gegen ſih auf und mußte, der Ketzerei 
beſchuldigt , die Stadt verlaſſen. Hierauf ging er nah England, lehrte dann einige Zeit in 
Köln Theologie, beſchäftigte fich aber gleichzeitig mit Alchemie und machte eine Reiſe nach 
Italien, wo er unter Kaiſer Maximilian 1. Kriegsdienſte nahm und als Hauptmann zun 
Ritter geſhlagen wurde. Sodann ward er Doctor der Rechte und der Medicin und hielt zu 
Pavia Vorträge, bis er, mit Schulden belaſtet, nah Caſale flüchtete. Nach einiger Zeit nahm 
er die Stelle als Syndikus in Mey an. Doch ſhon 1520 befand er ſich wieder in Köln, in- 
dem er durch die Vertheidigung einer Hexe die Inquiſition und die Mönche in Me gegen fid 
aufgeregt hatte. Als ihn dieſe auh in Köln verfolgten, ging er nah Freiburg in der Schweiz, 
wo er nım als Arzt prafticirte. 1524 wandte er fich wieder nad) Met und gewann hier einen 
ſolchen Ruf, daß ihn die Mutter König Franz? I. zu ihrem Leibarzt wählte. Weil er den 
Ausgang des Feldzugs, welchen Franz I. 1525 nah Italien unternahm, nicht prophezeien 
wollte, verlor er ſeine Stelle und ging nun nach den Niederlanden. Hier ſchrieb er ſein be- 
rühmtes Buch «De incertitudine et vanitate scientiarum» (Köln 1527), eine beigende Satire 
auf den damaligen Zuſtand der Wiſſenſchaften. Man klagte ihn deshalb bei Karl V. an, urd 
ex wurde wieder flüchtig und wandte ſich nah Lyon. Da aber in Frankreich der Haß gegen 
ihn noch nicht erloſchen war, verhaftete man ihn. Doch gelang es ſeinen Freunden, ihn fret 
zu machen, worauf er nah Grenoble ging, wo er 18. Febr. 1535 ſtarb. A. war ein heller 
Kopf, und hatte das Verdienſt, manches Vorurtheil ſeiner Zeit glü>lih bekämpft zu haben. 
Gegenüber dem herrſhenden Scholaſticismus ſtellte er in dem Buche «De occulta philosophia» 
(zuerſt Bar. 1531; Köln 1533) ein folgerechtes Syftem der kabbaliſtiſh-myſtiſhen Philoſophie 
auf. Eine vollſtändige Sammlung feiner, Schriften, unter denen nod) die « Declamatio de 
nobilitate et praecellentia foeminei sexus» (Antw. 1529) hervorzuheben, erfchten nad) jet- 
nem Tode (2 Bde., yon, um 1550). Eine Biographie und Charakteriſtik A.'s hat Morley 
(2 Bde., Lond. 1856) geliefert. 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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