Full text: A bis Arad (Band 1)

   
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Anäſtheſiren 693 
erwacht ein Traumleben mit bald heitern, bald unangenehmen Bildern. Im dieſem Zuſtande 
athmet der Kranke beſchleunigter, ſein Puls iſt ſchneller, die Haut wärmer. Es röthet ſich das 
Geſicht, die Pupillen verengern fich, und bisweilen ſtellen ſich Delirien ein, die ſich in einzelnen 
Fällen bis zur Raſerei ſteigern können. Gewöhnlich iſt jedoch die Aufregung nur gering, und 
plößlih wird das Athmen wiederum regelmäßiger, die Pulsſchläge ſinken wieder auf ihre nor- 
male Zahl herab, und die Geſichtszüge erhalten den Ausdru> einer großen Schläfrigkeit, Die 
Augenlider ſenken fich, die Geſichtsfarbe erblaßt, der Kopf neigt ſich, der Rumpf ſinkt zuſam- 
men, und der Kranke verfällt in einen tiefen, dem Scheintode ähnlichen Schlaf. Jn dieſem 
Stadium der Narkoſe können die ſhmerzhaſteſten Operationen vorgenommen werden, ohne daß 
der Kranke irgendetwas empfindet. Nachdem die Unempfindlichkeit einige Zeit (1/,—20 Min.) 
angedauert, fehren allmählich die Sinnesthätigfeiten, die Function der Muskeln und das Be- 
wußtfein zurüd, Nur zuweilen bleibt mehr oder weniger Eingenommtenheit des Kopfes und 
Uebelkeit zurü>. 
Es konnte nicht fehlen, daß man Verſuche anftellte, ob nicht auch andere Stoffe, insbeſon- 
dere die übrigen Aetherarten, eine gleihe Wirkung haben. Der Chlorwaſſerſtoff - oder Salz= 
äther (auch Chloräthyl genannt) zeigte zwar dieſelben Wirkungen, und ſelbſt in mancher Be- 
ziehung noch beſſer als der Schwefeläther, allein wegen feines weit höhern Preiſes konnte er nicht 
zu ausgebreiteterer Anwendung kommen. Mit deſto beſſerm Erfolge bediente man fich jedoch 
des Chloroforms (\. d.), welches der edinburgher Profeſſor Simpſon 1847 in die Praxis ein- 
führte, und das wegen ſeiner entſchiedenen Vorzüge den Schwefeläther bald faſt ganz verdrängte. 
Das Chloroform läßt ſih angenehmer einathmen, die Empfindungsloſigkeit tritt ſhon nah 
Yy—5 Min. ein; ferner iſt das Stadium der Aufregung milder und flüchtiger. Ueberhaupt 
entfaltet es die anäfthetifche Wirkung ſicherer und vollkommener und läßt auch etwaige üble 
Nachwirkungen flüchtiger vorübergehen. Eine Anzahl plößlicher Todesfälle, welche infolge der 
Chloroformirung vorgekommen waren, führten jedoch zu der Ueberzeugung, daß das mit Enthu- 
ſiasmus aufgenommene Anäſtheticum in der Hand des Ungeübten und Unvorſichtigen weit ge- 
fahrvoller ſei als der Schwefeläther. Beſonders ward darin gefehlt, daß man während der 
Einathmung der Chloroformdämpfe dem Patienten die atmoſphäriſche Luft gänzlich entzog 
und hierdurch eine Art Erſti>kungstod, eine Ueberſättigung des Körpers mit Chloroform oder 
Blutvergiftung herbeiführte. Man muß vielmehr ſtets darauf bedacht ſein, daß die Chloro- 
formdämpfe gehörig mit Luft verdünnt werden. Auch während des Zuſtandes der Betäubung 
hat der Arzt fortwährend darauf zu achten, ob Athmung und Puls gleihmäßig bleiben; denn 
ſollte der Athem röchelnd werden, Puls = und Herzſchlag ausfegen und das Geficht eine blaue 
Färbung bekommen, ſo droht Gefahr, und man muß ſogleich den Patienten durch fehnelles Zu- 
führen von friſcher Luft, nöthigenfalls durch Einleitung ‘der künſtlichen Reſpiration zum Leben 
zurü>führen. Man iſt ſeitdem bemüht geweſen, andere Stoffe, die meift der chem. Gruppe der 
Kohlenwaſſerſtoff = Verbindungen angehören, zu anäſtheſirenden Einathmungen an die Stelle 
des Chloroforms zu ſetzen, wie Salpeteräther, Eſſigäther, Jodäther, Aldehyd, Benzin, auh 
Schwefelkohlenſtoff, Bromoform, Jodoform u. \. w., doh haben ſich dieſelben niht als ge- 
nügend erwieſen. Das durh John Snow in London 1856 empfohlene Amylen bewirkt zwar 
die Betäubung und Schmerzloſigkeit leichter als ſelbſt Chloroform, doch ſein fufelartiger ©e- 
vu, der namentlich dem Operateur läſtig fällt, und insbeſondere der Umſtand, daß Snow in 
der eigenen Praxis zwei Todesfälle durch Amyleneinathmung zu beklagen hatte, hat die Ein- 
bürgerung des Mittels verhindert. Ebenſo wenig konnte ſih die von Ozanam empfohlene 
Einathmung von Kohlenſäure das Vertrauen der Praktiker erwerben. 
Die Vortheile, welche aus dem A. insbeſondere in der chirurgiſchen Praxis fowol für den 
Patienten wie für den Arzt erwachſen, ſind außerordentlich, obgleich man jett daſſelbe bei 
Operationen in einer befchränftern Weife als anfangs, nah Einführung des Schwefeläthers, 
zur Anwendung bringt. Namentlich wird es vermieden, wenn der Kranke ſehr vollblütig und 
fettleibig oder dur Krankheit erſchöpft iſt, oder wenn er an einer großen Reizbarkeit des Ner- 
venſyſtems, an Gehirn- oder Herzkrankheiten leidet. Auch die ausgedehnte Anwendung, welche 
man von der Anäſtheſirung anfänglich in der Geburtshülfe machte, hat mar auf fehr fehmerz- 
hafte und ſchwierige Operationen beſchränkt. Dex praktiſche Arzt <loroformirt überdies bei 
heftigen Shmerzen, welche von verſchiedenen innern Krankheiten herrühren, bei Convulſionen, 
Bruſtentzündung, Lungenemphyſem, Croup, Neuralgie u. f. w., iiberhaupt wo eine beruhigende 
Einwirkung auf das ſeuſible Nervenſyſtem ausgeübt werden ſoll. Gefiühlloſigkeit läßt ſich indeß 
auh no auf andere Weiſe als dur Einathmung von Dämpfen der genannten Flüſſigkeit 
   
   
  
   
  
  
   
  
  
  
   
   
  
   
  
  
  
   
  
  
   
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
   
  
   
  
  
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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