709 Ancenis Anchiſes
epiſchen Dichtung in ſehs Geſängen, mit erzählenden und (dramatiſirten Theilen vermiſ<ht,
herrſcht ebenfalls eine ſehr durchgebildete Sprache, Die Julirevolution, infolge deren er nicht
nur ſeine Penſion von der Civilliſte, ſondern auh ſeine Stelle als Bibliothekar am Arſenal
verlor, nöthigte ſein dramatiſches Talent, die uneinträglichen Ehren der Tragödie aufzugeben
und zuverläſſigere Hülfsquellen in der niedern Gattung des Vaudeville auſzuſuchen. Er über-
raſchte hierin die geübteſten Theaterdichter, indem er mit ihnen an Fruchtbarkeit, Wißt und
Laune wetteiferte in zahlloſen Stücken jeglichen Zuſchnitts und Stoffs. Es ſind dies leichte
Sittenſkizzen, die ſich von den gewöhnlichen Producten der Vaudevilliſtik durch beſſere Schreib-
art zu ihrem Vortheil unterſcheiden. Seine Gewandtheit, kauſtiſche Einfälle in Verſe von
lebhafter Wendung zu faſſen, ließ ſich oft auh in Epiſteln aus, die meiſtens pikante Satiren
ſind. Seine «Oeuvres complètes» erſchienen 1837. Die Akademie hatte ihn 1841 als Bo-
nald's Nachfolger gewählt. A. ſtarb zu Paris 8. Sept. 1854. — Seine Gattin, Mar-
guerite Louiſe Virginie A., geb. Chardon, des vorigen Gattin, wurde 15. März 1792
zu Dijon geboren und wandte fich ziemlich fpät, nach 1830, ebenfalls der Schriftſtellerei zu,
indem ſie ihrem Gatten bei der Ausarbeitung kleiner Bühnenſtü>e half. Ihr ſelbſtändiges
Auftreten begann erſt 1835 mit dem Luſtſpiele: «Le mariage raisonnable», dem andere in
Profa folgten, welche das Théâtre Francais zur Aufführung brachte und in denen Fräulein
Mars mit großem Beifall ſpielte: «Marie ou trois époques » (1836), das Hauptwerk der
Verfaſſerin, «Le château de ma nièce» (1837), «Isabelle» (1838). Sodann lieferte ſie
für das Gymnaſe, das Vaudeville und die Variétés verfchiedene gut aufgenommene Stüde:
«Juana» (1838), «Clémence» (1839), «Marguerite» (1840), «Le père Marcel» (1841),
«L’hötel de Rambouillet» (1842), «Madame Roland» (1843), «Folette» (1844), «Un jour
de liberté» (1845), Une année à Paris» (1847) u. |. iw. Sie verfuchte fich auch im Drama
(«Les femmes de Paris», 1848), aber ohne Erfolg. Ihre Stücke haben die Mängel und
Vorzüge, die man in den Werfen von Autoren ihres Geſchlechts gewöhnlich antrifft: viel
Feines und Anmuthiges, nette einzelne Züge, leidlich eleganter Styl, aber {hwache Situa-
tionen und fchleppende Handlung. Ihr «Théâtre complet» (4 Bde., Par. 1848) enthält
20 Stücke, Sie hat auh Romane geſchrieben, die theilweiſe mehrere Auflagen erlebten, ſo:
«Gabrielle» (1839), «Emérence» (1841), «Médérine» (1843) u. \. w.; am meiſten gefielen
«Renée de Varville» und «La nièce» (beide 1853). Später erſchienen noh: «Vne famille
parisienne» (1856), «Une route sans issue» (1857), «La fille d’une joueuse» (1859).
Ancenis, die Hauptſtadt eines Arrondiſſements im franz. Depart. Unter-Loire, liegt am-
phitheatralifc am reten Ufer der Loire und ift eine wichtige Schiffahrteftation. Die Stadt
hat ein College, zählt 4200 E. und treibt Handel mit Wein, Weineſſig, Branntwein und
Bauholz. Die benachbarten Hügel find mit Weinpflanzungen bededt. Auf fteiler Höhe erhebt
ſich ein goth. Schloß; eine Hängebrü>e führt über die Loire in das Depart. Maine-Loire.
An der Grenze der Bretagne gegen Anjou gelegen, wechſelte A. öfter ſeine Herren. 987 ließ
die Gräfin von Nantes hier ein feſtes Schloß erbauen, welches ſpäter von Heinrich IL. von
England verſtärkt wurde. A. ward 1230 von Heinrih TI. von England, 1472 von Lud-
wig VI. und 1488 von La Tremoiille unter Karl VID. nad) langer Belagerung erobert, wobei
der Ort ſeine feſten Mauern einbüßte. Auch war es zu A., wo 1394 Philipp der Kühne von
Burgund den Herzog von Bretagne mit den Cliſſons verſöhnte, und ſpäter die Geſandten
Heinrich’8 IV. und des Herzogs von Mercoeur ihre Conferenzen hielten..
Anceps, d. i. mittelzeitig, wird von den lat. Grammatikern in der Proſodik diejenige Silbe
genannt, die je nah dem Bedürfniſſe des Versmaßes bald lang, bald kurz gebraucht werden
fann. Man bezeichnet ſie mit 2 oder ©. Jn. denjenigen Sprachen, in denen die Verſe nah
den Geſetzen der Quantität gemeſſen werden, wie z. B. im Griechiſchen und Lateiniſchen, iſt
die Zahl ſolcher mittelzeitigen Silben ſehr beſhränkt. Jm Deutſchen aber, wo der Accent maß-
gebend iſt, finden ſie ſih ſchr häufig. Hier kann ein flüchtiger Rhythmus manche ſonſt lange
Silbe verkürzen, während umgekehrt namentlich der oratoriſche Accent ſelbſt den unbedeuten-
dern, faſt tonloſen Wörtern, wie z. B. dem Artikel, den Präpoſitionen, Fürwörtern u. #. w.,
den Werth einer langen Silbe zu geben vermag.
Anthiſes, der Sohn des Kapys und Urenkel des Tros, war mit dem trojaniſchen Königs-
gejchlechte verwandt und Herrſcher in Dardanos. Aphrodite, von ſeiner Schönheit hingeriſſen,
erſchien thm einſt auf dem Ida in Geſtalt einer phrygiſchen Hirtin, gab ſi<h ſeiner Umarmung
hin und gebar ihm den Aeneas (\. d.). Dieſer rettete ſpäter den greiſen Vater auf den Schul-
tern aus dem Brande von Troja und“ nahm ihn mit ſich zu Schiffe. A. ſtarb während der