Full text: A bis Arad (Band 1)

Abhartung 
taugen derartige Zubereitungen überhaupt wenig für zarte Sachen von wirklichen Kunflwerthe, 
weil fie mehr oder weniger die Reinheit und Schärfe der Züge beeinträchtigen. Eine vor- 
treffliche Sammlung von Gipsabgüffen, mit welcher nur noh wenige in Italien, Paris und 
Berlin zu wetteifern vermögen, befindet fich in Dresden; diefelbe ift von Mengs nad) Antifen 
veranſtaltet. Nachbildungen aus Subſtanzen, welche nicht flüſſig, ſondern nur teigartig weich 
geweſen ſind, alſo in die Formen nur eingedrü>t, niht eingegoſſen werden fönnen (wie Glas-= 
flüſſe, Thon, Brotteig, erweihtes Wachs oder Siegella>), rechnet man uneigentlich zu den 
A.; ſie werden richtiger als Abdrüde (f\. d.) bezeichnet. 
Abhärtung nennt man die Gewöhnung des Menſchen an äußere Einwirkungen, an An- 
ſtrengungen oder Entbehrungen, welche außerdem leicht zu ſchädlichen Nachwirkungen führen. 
Man muß ebenſowol von einer geiſtigen als von einer körperlichen A. ſprechen, und zwar iſt 
die eine in gewiſſem Maße durch die andere bedingt, da einerſeits die Energie und Wider- 
ſtandsfähigkeit des geiſtigen Menſchen ihn auh körperlich widerſtandsfähiger gegen ſchädliche 
Einflüſſe macht, andererſeits aber, und no viel mehr, ein abgehärteter Körper eine größere 
geiſtige Rüſtigkeit mit ſich bringt. Natürlich iſt unter geiſtiger A. nicht die Abftumpfung des 
Gemüths gegen zarte Regungen und edle Gefühle zu verſtehen, ſondern die Widerſtandsfähig- 
feit gegen die Schläge des Schifſals und die aus dem eigenen Innern aufwuchernde Gewalt - 
der Triebe und der Leidenſchaft. Für geiſtige wie körperliche A. gilt das phyſiol. Geſeß, daß 
jedes Organ durch eine maßvolle Anſpannung ſeiner Thätigkeit mit nachſolgender Ruhe immer 
fräftiger und innerhalb gewiſſer Grenzen zu immer größern Leiſtungen befähigt wird, während 
alle Úeberſpannung, ſei es dem Maße oder der Dauer nach, zur Abſpannung oder Krankheit 
führt. Die A. iſ nicht ein Heilmittel, ſondern nur ein Schutmittel und zwar ein höchſt 
wichtiges gegen allerlei Krankheiten des Körpers und der Seele, Daher ſoll man ſi<h nicht 
abhärten wollen während man noch krank iſt, und niht meinen, man fünne 3. B. die ſ{hlim- 
men Folgen einer Erkältung dur<h Gewöhnung an die Kälte heilen. Erſt nach der Geneſung 
gehe man ſolchenfalls zur vorſichtigen und allmählichen Gewöhnung an die Einflüſſe über, 
durch die man zuvor erkrankt war, Ferner wolle män ſih nicht allzu hartnädig gegen das 
abhärten, was man vielleicht ſeiner ganzen Conſtitution nad) nie vertragen wird, oder wozu 
man ſcon zu alt iſt. Ebenſo wenig muß man kleine Kinder oder Perſonen mit ausgeſproche- 
nen Krankheiten abhärten wollen, Ueberhaupt iſt zu bedenken, daß für jeden einzelnen, auh 
wenn ex ſonſt geſund iſt, ſeiner angeborenen Anlage nach die A. gewiſſer Organe ihre Grenze 
hat, und daß der Beruf oder die Standesverhältniſſe eine beſondere Art der A, vielleicht ge- 
radezu verbieten. Für jede A, gilt es, daß man in geringem Maße und behutſam anfängt, 
allmählich ſteigert, aber ſofort nachläßt, wenn ſtatt der Gewöhnung vielmehr eine erhöhte 
Empfindlichkeit eintritt. Die Hauptmittel der körperlichen A. ſind: kalte, friſche, reine Luft 
(Morgenluft, Gebirgsluft, Winterluft, kaltes Klima), faltes Waſſer (Waſchungen, Fluß - und 
Seebäder, Regen- und Wellenbäder, Douchen), leichte Kleidung, kühles und hartes Nachtlager, 
Körperbewegung (Turnen, Fechten, Reiten, Fußreiſen), grobe, einfache, aber nicht zu einför- 
mige Koſt, Gewöhnung an Licht, Lärm, Schmerz, Hunger, Durſt. Katarrhe und Rheumatis- 
men, Hämorrhoiden, Verdauungsſhwäche, Bleichſucht, Hypochondrie, Hyſterie und die zu den 
verſchiedenſten Leiden führende leichte Erkältbarkeit werden in zahlloſen Fällen durch eine 
zwe>mäßige A. zu verhüten ſein. 
Was die verſchiedenen Organe betrifſt, die beſonders einer A, bedürfen, ſo ſteht -obenan 
die Haut, weil gerade dieſe häufig Erkältungen ausgeſebt iſt, Wenn jemand bemerkt, daß ihm 
jede falte Luft, jeder Aufenthalt an einem zugigen Drte Schnupfen, Rheumatismus, Diar- 
rhöen u. |. w. zuzieht, nehme ev eine methodiſche A. der Haut vor, ſofern er im übrigen ges 
fund iſt. Man trage zwar bei kühlem Wetter Flanell auf der bloßen Haut, meide aber von 
vornherein zu warme, ſhweißerregende Kleidung, lege vielmehr Ueberro> und dergleichen erſt 
an, wenn man an fühlern oder windigen Orten oder in der Abendluft ſich befindet. Man reibe 
ſih täglich in einem warmen Zimmer den ganzen Körper mit kaltem Waſſer ab, ſpäter waſche 
man fich kalt und reibe ſich anfänglih nah der Waſchung noh .mit wollenen Tüchern. So- 
dann gehe man zu kurzen kalten Douchen und im Sommer zu kurzen kalten Flußbädern über. 
In den Kaltwaſſerenthuſiasmus darf man darum nicht verfallen; denn das kalte Waſſer iſt 
ein ſehr ſtarker Reiz für die Hautnerven und kann, wenn es zu oft und über Bedürſniß an- 
gewandt wird, zur Nervenüberreizung und Nervenſchwäche führen. Täglich gehe man 1n die 
freie Luft, und laſſe ſich niht durch jede Ungunſt des Wetters davon abhalten, Alte Leute 
haben jedo< zu wenig Wärme, kleinere Kinder eine zu zarte Haut, um fich ſo leicht kleiden 
      
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
   
  
  
   
   
   
  
  
   
  
  
   
   
  
  
   
   
  
  
   
   
  
  
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