812 i Anthropologie
Menfchenfnochen und Steingeräthe, die von Menfchen herrühren, auf eine folde Weife mit
Knochen von ausgeftorbenen Elefanten-, Ahinoceros- und Hyänenfpecies zufammen gefunden,
daß an ihrer gleichzeitigen Exiſtenz im lebenden Zuſtande nicht mehr gezweifelt werden kann.
Dadurch wird aber nur das erſte Auſtreten des Menſchen auf der Erde etwas weiter zurüd,
oder die Dauer jener jezt ganz erloſhenen Species etwas weiter vor verlegt, denn alle dieſe
Ablagerungen gehören immer noch einex ſehr neuen geol. Periode, der poſtpliocänen Zeit, an.
In ſog. tertiären oder noch ältern Ablagerungen hat man bisjezt noh niht den geringſten
Ueberreſi eines Menſchen oder eines Kunſtproducts aufgefunden. Alles, was man zuweilen
daſür gehalten hat, beruhte auf Täuſchungen, wie z. B. Scheuchzer's « homo diluvi testis »,
der ſich als ein Reptil erwieſen hat. Die beſte Zuſammenſtellung über dieſen Gegenſtand findet
man in Lyell's «Antiquity of man» (Lond. 1863).
Anthropologie (griech.) bezeichnet die Lehre vom Menſchen in ihrem ganzen Umfaug-.
Der Menſch als Gegenſtand der äußern Erfahrung iſt die Aufgabe der phyſiſchen, als
Gegenſtand der innern Erfahrung der pfyhiihen A. Nach den verſchiedenen Geſichts-
punkten, welche ein jedes dieſer beiden Exfahrungsgebiete verſtattet, zweigen ſich auf jedem der-
ſelben wieder verſchiedene Wiſſenſchaſten ab, auf dem phyſiſchen neben der Phyſiologie des
Menſchen ſeine Naturgeſchichte, auf dem pſychiſchen neben der reinen A. die angewandte oder
pragmatiſche. Was die Naturgeſchichte des Menſchen betrifft, fo iſt darin ſeit der durch
Blumenbach gelungenen Feſtſtellung von drei hauptſächlihen Naſſenunterſchieden (f. Menſ<)
mit Fleiß fortgearbeitet worden, ohne daß es jedoch bisher hat gelingen wollen, weder in Be-
treff der Abſtammung dieſer Raſſen unter ſich nod) in Betreff einex Hervorentwi>elung der-
ſelben aus dem Leben der frühern Naturſtufen, etwas Feſtes zu ermitteln. Der gründlichſte
Verſuch, eine ſolhe Hervorentwi>elung denkbar zu- machen, iſt der von Darwin («On the origin
of species of natural selection etc.», Yond. 1859; deutfc von Bronn, Stuttg. 1862). Ver-
bindet man mit dem Naturgefchichtlichen eine. Schilderung der Lebensart, der Sprache, der
Kleidung, der Sitten u. f. w., fo geht die A. auf dieſem Standpunkte in die Ethnographie
(\. d.) über. Hierher gehört die Schrift von Weit: «A. der Naturvölfer» (Bd. 1—3, Lpz.
1859 — 64). Bon der naturgefhichtlichen unterfcheidet fid) die phyfiologifche A. als die
Wiſſenſchaſt vom Bau und den Verrichtungen des menſchlichen Leibes, deren Aufgabe die Auf-
ſtellung des vollſtändigen Syſtems auimaliſcher Triebe ift, welche in den drei Gruppen der Ge-
ſtaltungstriebe, Bewegungstriebe und Empfindungstriebe (vegetatives, irritables und ſenſibles
Syſtem) das Leben des Organismus bewirken. Wegen ihrer Verwandtſchaft mit der Heilkunde
durch die ſich an ſie knüpfenden diätetiſchen und ärztlichen Rüdfichten pflegt man dieſe Wiſſen-
Ichaft aud) als medicinifche A. zu bezeichnen. Dabei wird einerſeits die naturgeſchichtliche
Seite des Menſchen, andererſeits das Leben der höhern Seelenthätigfeiten von ihren Bearbei-
tern mehr oder weniger mit in die Unterſuchung gezogen. Hierher gehören die Werke: Burdach,
«A. für das gebildete Publikum» (2. Aufl., Stuttg. 1846 —47); Klende, «Syſtem der orga-
niſhen Pſychologie » (Lpz. 1842); Domrich, «Die pſych. Zuſtände und ihre organiſche Ber-
mittelung » (Jena 1849), und Lotze, «Die medic. Pſychologie» (Lpz. 1850). nz
Die pſychiſche A. in der reinen oder philof. Bedeutung des Wortes läßt fich im engern
und weitern Sinne verſtehen. Im engern Sinne ift fie eine empiriſhe Wiſſenſchaft aus der
Beobachtung des innern Sinnes als eines eigenthümlichen Erfahrungsfeldes, welches einen voll-
fommenen Oegenfaß zur äußern Erfahrung der Naturwiſſenſchaſten bildet, und deſſen Gegen-
ſtände in den Thätigkeiten unſers eigenen Denkens, Anſchauens, Empfindens, Fühlens, Be-
gehrens und Wollens beſtehen. Dieſes iſt Pſychologie im empiriſ<en Wortverſtande, in
deren Gebiet gehören: Drobiſh, «Empiriſche Pſychologie» (Lpz. 1842); Beneke, «Lehrbuch
der Pſychologie» (2. Aufl., Berl. 1845); Wait, «Lehrbuch der Pſychologie» (Braunſchw. 1849);
3.9.Fhte, «Die A, neu begründet auf naturwiſſenſchaftlihem Wege» (2. Aufl., Lpz. 186 1).
Weil aber die empiriſche Pſychologie in einem engen Verhältniſſe ſteht zu den das Univerſum
umfaſſenden ſpeculativen Principien, ſo fordert ſie dadurch zu einer Bearbeitung von ſpeculativen
Standpunkten auf, woraus die ſpeculative A. als eine Pſychologie auf dem Boden der Meta-
phyſik entſpringt, wohin die ſpeculativen Arbeiten dieſer Art einerſeits von der Herbartiſchen,
andererſeits von der naturphiloſ. und der Hegel'ſchen Seite gehören, wie: Herbart, «Pſycho-
logie als Wiſſenſchaft» (2 Bde., Königsb. 1824— 25); Steffens, «Anthropologie» (Bresl.
1821); Schübart, «Geſchichte der Scele» (4. Aufl., Stuttg. 1850); Carus, «Pſyche» (Pforzh.
1846), nebſt den Pſychologien von Erdmann (3. Aufl., Lpz. 1863), Roſenkranz (3. Aufl,
Königeb. 1863) und Schaller (Weimar 1860). Eine Ergänzung zur pſychiſchen bildet dte
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