Full text: A bis Arad (Band 1)

Ablaß 
ſich die ſcholaſtiſhe Wiſſenſchaft, den kirhlichen Ablaßgebrauh auch theoretiſch zu begründen, 
Die Scholaſtiker machten darauf aufmerkſam, daß Chriſtus, Maria und die Heiligen ſich über 
ſchüſſige Verdienſte vor Gott erworben und dieſen «unendlichen » Schat überflüſſiger guter 
Werke (opera supererogationis) der Kirche zur Uebertragung an folche überlaſſen hätten, 
welche innerlich und äußerlich von der Kirche dieſer Gnade für würdig erachtet würden. Die- 
ſen Glaubensſah beſtätigte Clemens VI. in der Mitte des 14. Jahrh., indem ex als die Ver= 
walter dieſes Schatzes den Apoſtel Petrus, als Schlüſſelträger des Himmels, und deſſen Nach- 
folger, die röm. Bischöfe, bezeichnete. Allein die Entartung wurde dadurch nur beſchleunigt. 
Der furchtbare Hohn auf jede wahre Sittlichkeit, mit dem Leo X. 1514 und. 1516, angeblich 
zur Führung eines Türkenkriegs, zum Bau der Peterskirche zu Rom und zur Beſtreitung ſci- 
nes und ſeiner Verwandten Hofluxus den A. verpachtete (\. Tezel) und faſt ganz Europa 
brandſchazen ließ, wurde einer der Hauptanſtöße der deutſchen und ſchweiz. Reformation, nach- 
dem ſhon Jahrhunderte vorher einzelne erleuchtete und ſittlich tiefer bewegte Männer, z. BD, 
Abälard, der Franciscanerprediger Berthold im 13. Jahrh., Wicliffe, Huß u. a., wenigſtens 
inſofern nicht vergebens dagegen geeifert hatten, als die öffentlihe Meinung zum Theil durch) 
ſie vorbereitet genug war, um dem Kampfe Luther's gegen die Sünde der Ablaßkrämerei laut 
oder im ſtillen Beifall ſpenden zu können, 
In dem Streite Luther's gegen den hauptſächlih von den Dominicanern praktiſch betrie- 
benen Ablaßhandel kam die ſcholaſtiſhe Ablaßtheorie allſeitig zur Sprache, Die berühmten 
Säge, welche Luther 31. Oct. 1517 an die Schloßkirche zu Wittenberg ſhlug, waren noch 
nicht gegen den A. ſelbſt, ſondern uur erſt gegen deſſen Misbrauch gerichtet, oder doch gegen 
das, was der damalige Luther noch treuherzig für bloßen Misbrauch hielt. Die päpſtl. In- 
dulgenzen, behauptet er, können weder die Schuld noch die göttliche Strafe erlaſſen, ſondern 
nur die nach kanouiſhem Rechte verhängten Kirchenſtrafen. Auch dieſe aber können nux Leben- 
den auferlegt und erlaſſen, daher weder Kirchenſtrafen in Fegfeuerſtrafen verwandelt noh 
Fegfeuerftrafen durch die Indulgenzen erlaſſen werden; am allerwenigſten aber dürfe man 
auf die päpſtl. Ablaßzettel vertrauen, als könnten ſie Sünden vergeben und ſelig machen. 
Noch einen Schritt weiter ging Luther ſchon in dem bald nachher verfaßten «Sermon von A. 
und Gnaden », in welchem ex die ſcholaſtiſhe Lehre von der Satisfaction, als dritten Stückes 
des Bußſakraments, oder von der Nothwendigkeit, durh « gute Werke » für die Sünden Ge- 
nugthuung zu leiſten, verwarf, und dadurch dem ganzen Ablaßweſen ſeine vermeintlich wiſſen- 
ſchaftliche Begründung entzog. Ihm gegenüber fanden die Dominicaner, wie Conrad Wim- 
pina und Silveſter Prierias Veranlaſſung, ihre Ablaßpraxis auch theoretiſch zu rechtfertigen. 
Zhre Lehre: iſt im weſentlichen keine andere als die ſhon dur<h Alexander von Hales (geſt. 
1245) und Thomas von Aquino (geſt. 1274) ausgebildete. Gegenüber ihrer Verwerfung von 
ſeiten der Reformation ward ſie jezt durch eine Bulle Leo's X. vom 9. Nov. 1518 beſtätigt 
und danach durch die Befchlüffe der Trienter Kirchenverfammlung unverändert aufrecht 
erhalten. Hiernah muß das Bußſakrament aus drei Stücken beſtehen, Reue, Beichte und Ge- 
nugthuung (contritio cordis, confessio oris, satisfactio operis). In der Beichte werden durch 
die prieſterlihe Abſolution an Gottesſtatt ſowol die Schuld als die ewigen (Höllen-) Strafen 
erlaſſen. Dagegen bedarf es zum Erlaſſe der zeitlihen Strafen einer vom Sünder ſelbſt noh 
zu leiſtenden Genugthuung, welche die Kirche zu beſtimmen hat. Unter dieſen zeitlichen Strafen 
find nicht blos die kirchlichen, nah dem kanoniſchen Rechte auferlegten Bußen, ſondern auch 
göttliche Strafen zu verſtehen, und zwar theils irdiſche, theils Fegfeuerſtrafen für folche, 
deren Seelen ſchon der Hölle entriſſen, aber noh der Läuterung nah dem Tode bedürſtig ſind. 
Die Macht der Kirche, kanoniſche und göttliche Strafen zu erlaſſen, wird gegründet auf das 
überſchüſſige Verdienſt Chriſti und der Heiligen und den hierdur<h angeſammelten Schaß der 
guten Werke, über welchen die Kirche zu verfügen hat. Von dieſem Schate kann die Kirche 
denen, die es bedürfen, dur Indulgenzen zugute kommen laſſen; doch reicht die Befreiung immer 
nur ſo weit als die in jedem Falle ertheilte Indulgenz, und auch ſie wird dem Sünder nicht 
ganz unentgeltlich zu Theil, weil dies der göttlichen Gerechtigkeit zuwider wäre, daher irgend- 
eine Leiſtung erforderlich iſ, die von der Kirche als Aequivalent betrachtet werden kann, ſei 
dieſelbe an ſich auch noch fo gering. Da es dabei nicht auf die Art oder Größe der Leiſtung 
ankommt, fo können außer Theilnahme an Bruderſchaften, Wallfahrten , Kirhbeſuh, Vereh- 
rung von Reliquien, Kreuzen, Roſenkränzen u. ſt, w. au<h Geldzahlungen zu frommen Zwe>en 
die Stelle vertreten. Die Zahlung einer noch} fo geringen Summe zeigt wenigſtens an, daß der 
Sünder «die Hand bietet» und dem Gnadenwerke der Kirche gläubig entgegenkommt. Wird 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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