Full text: A bis E (1. Band)

  
fs. 
104 Armencolonien 
Scheune und Ställe und hinter diefen wird die Dúngerſkätte angelegt, wo alle vegez 
tabiliſchen und thieriſchen Abgänge ſorgfältig geſammelt werden. Die Koſten der An- 
ſiedlung einer Familie von 7 Perſonen betrugen in den Niederlanden anfänglich ge- 
gen 700 Thaler, ſpäter aber weit weniger. Der Verein übernimmt es, für den Un- 
terhalt jedes aufgenommenen Anſiedlers zu ſorgen, weil es dieſem an Mitteln fehlt, 
ſich bis zur nächſten Ernte, wo er die Früchte der auf den Anbau des Bodens gewende- 
ten Arbeit erlangen kann, zu ernähren. Der Verein bezahlt ihn für ſeine Mühe, nah 
Verhältniß ſeiner Arbeit. Die Anſiedler müſſen ſowol den Boden anbauen als auch 
alle bei dem Bau der Wohnungen nöthigen Arbeiten verrichten. Das Gedeihen, ja 
das Beſtehen der Colonien hängt von der vollkommenſten Bearbeitung des Bodens 
ab, und die Anſiedler ſtehen daher unter der wachfamften Aufficht, fo lange der ge: 
ringſte Zweifel an ihrer Fähigkeit oder Willigkeit vorhanden iſt. ‘Es gilt als 
Grundſas, daß eine Familie von 7 Perſonen, wenn ſte ihre Arbeit auf den Anbau von 
7 Morgen Landes wendet, nicht nur ſo viel erwerben kann, als zu ihrer Ernährung 
und Bekleidung nothwendig iſt, ſondern auch einen jährlichen Überſchuß gewinnen 
muß, der in 16 Jahren die Wiedererſtattung der gewährten Vorſchüſſe mit 54 
Procent Zinſen möglich macht. Ein anderer Grundſas iſt, daß kein Anſiedler, auch 
nicht in der kürzeſten Zeit, die der Arbeit gewidmet werden kann, unbeſchäftigt ſein 
darf. Fede Anſiedlung ſteht unter einem Oberaufſeher; ein Unteraufſeher iſt über 
400 Familien geſest, die wieder in Abtheilungen von 25 zerfallen, welche unter einem 
ſogenannten Quartiermeiſter ſtehen. Jedes Quartier beſteht aus zwei Abtheilun- 
gen, deren jede gleichfalls einen Aufſeher hat, der ein praktiſcher Landwirth iſt, und 
durch Beiſpiel und Lehre ſeine Untergebenen zur Arbeit anleitet. Man gebraucht 
beim Anbau des Bodens faſt nur Hacke und Spaten. - Alle Arbeit wird ſtüweiſe, 
nicht nah Tagelohn berechnet. Nach dem Feierabend erhält jeder Arbeiter eine 
Marke, welche den Betrag ſeines Verdienſtes angibt, und er kann dafür aus dem 
Borrathshauſe des Vereins die nöthigen Lebensbedürfniſſe zu feſtgeſezten Preiſen 
erhalten. Dieſe Lohnmarken dienen in der Colonie als Geld. Reicht der Verdienſt 
des Anſiedlers anfänglich zur Beſtreitung ſeiner Bedürfniſſe nicht zu,- fo gibt 
man ihm Credit, und die Schuld wird ihm bei vermehrtem Erwerb abgerechnet. 
Die weiblichen Glieder der Anſiedlung müſſen ſich theils mit hâus{ichen Arbeiten, 
theils mit Spinnen und Weben beſchäftigen. Wolle und Flachs werden ihnen 
vom Verein geliefert, bis die rohen Arbeitsjtoffe von den eignen Schafen und 
Blachsfeldern der Anſiedlung gewonnen werden können. Auch die Kinder werden 
in den Stunden, die der Schulbeſuch ihnen übrig läßt, mit Arbeiten beſchäftigt, 
Sie und ihre Mütter erhalten, wie die Männer, ihren Lohn genau nach Verhältniß 
der geleiſteten Arbeit. Der Erfolg hat bewieſen, daß die Lo>ung des Gewinnes, 
verbunden mit der ſorgfältigſten Aufſicht, gewöhnlich ein hinlänglich mächtiger An- 
trieb iſt, der es nicht nôthig macht, wegen Trägheit Strafen zu verhängen. Die 
Anſiedler können bei dieſer wohlthätigen Aufſicht nur gewinnen; ſie arbeiten für 
eignen Vortheil, da, wenn nach der Ernte der Ertrag des Landes die Vorſchüſſe 
überſteigt, die man für ihre Arbeit gegeben hat, der Überſchuß ihnen zufällt. Nach 
dem erſten Jahre kann jeder Anſiedler die Colonie verlaſſen. Wer durch Fleiß und 
Anſtrengung ſeine Verbindlichkeiten gelöſt hat oder einer Unterſtüzung aus den 
Vorrâthen des Vereins nicht mehr bedarf, kann feinen Antheil ohne beauffichtis 
gende Leitung anbauen. Er ſteht dann zu dem Verein in dem Verhältniſſe eines 
Pachters zu dem Grundherrn, ausgenommen daß er gewiſſen Anordnungen hin- 
ſichtlich der Erziehung ſeiner Kinder unterworfen bleibt, da die Vorſteher dieſen 
wichtigen Gegenſtand nicht ganz dem Belieben jedes Einzelnen überlaſſen zu dürfen 
glauben. Bei der eingeführten Spatencultur werden faſt gar Feine Pferde gebraucht, 
außer zur Fortſchaffung des Düngers und zur Einbringung der Ernte. Zu dieſem 
Dieke hält der Vorſtand jeder Colonie 6 Pferde auf 50 Antheile. Der wichtigſte 
  
  
  
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