Full text: A bis E (1. Band)

  
106 Armencolonien 
Städter in die Page gefegt werden Eönnen, fich durch eignen Fleiß ihren Unter- 
halt zu gewinnen, und daß eine Armenanflalt dahin fommen kann, als Armen: 
verſorgung immer entbehrlicher zu werden. Die Mehrzahl dev Anſiedler in den 
niederländiſchen Colonien beſteht aus verarmten Handw rkern z fie waren in Roh: 
heit verſunkene Städter, mit ſchmußigen Lumpen bede>t, als ſie aufgenommen 
wurden. Nach ihrer Ankunft erhielten fie reinliche Kleider und gute Nahrung, aber 
in demfelben Augenblide mußten fie auch Hade und Spaten in die Hand nehmen, 
um der Erde abzugewinnen was fie verzehrten, und ihre neuen Kleider zu bezahlen. 
Jhres Unterhaltes gewiß, durch den ſichern Lohn der Arbeit gelo>t, arbeiteten fie 
willig und munter. Den Überſchuß ihres Verdienſtes, der ihnen am Ende des 
Jahres regelmäßig bezahlt wird, wenden ſie gewöhnlich dazu an, den Zeitpunkt 
ſchneller herbeizuführen, wo ſie den Anordnungen nicht mehr unterworfen ſind, 
welchen die Schuldner des Bereins ſich fügen müſſen. Wer im Arbeitsfleiße nach: 
laßt, und indem er den Ertrag ſeines Landes vermindert, mit ſeinem Grundzins in 
Rückſtand bleibt, erhält zwar Borſchuß, wird aber auch wieder der unmittelbaren 
Auſſicht der Vorſteher bei dem Anbau ſeines Landantheils unterworfen. — Die 
Vortheile, welche die Armencolonien gewährten, gaben der niederländifchen Regie: 
wung Anlaß, die Zahl der in den Armenhäufern unterhaltenen Arm:n zu b.flim: 
men, und unterſuchen zu laſſen, wie viele derſelben in den Anſiedlungen unterge- 
bracht werden könnten. Sie befahl, alle nicht gebrechlichen und arbeitsfähigen Ar: 
men aus den öffentlichen Anftalten in die Golonien zu bringen, und die Koften ih: 
res Unterhaltes aus den Mitteln dex Gem.inden ihres Wohnortes zu beſtreiten. 
Die Zahl der in der Armencolonie Ommerſchans in Oberyſſel untergebrachten Bett- 
ler belief fich 1826 auf 1300, theils Männer, theils Weiber. Sie wohnen 
in einem großen Gebäude, in deſſen Nähe ein Wachthaus iſt, worin eine Com- 
pagnie Soldaten liegt, die man jedoch ſeither noch nie zur Erhaltung der Ord- 
nung aufzubieten brauchte. Die Anſiedler werden in Glaffen getheilt und nad) 
Verhältniß ihres Alters und ihrer Kräfte 1 mit Hand- oder Feldarbeit beſchäftigt. 
Jede Claſſe muß täglich eine feſtgeſeste Summe verdienen, wofür eine reichliche 
Mahlzeit aus der Küche der Anſtalt gegcben wird. Für alles Übrige muß Je: 
der mit beſonderer Arbeit bezahlen, und 2s bleibt Jedem überlaſſen, wie viel 
er auf dieſem Wege verdienen will; aber er kann leicht das Doppelte, ja Drei: 
fache des feſtgeſesten niedrigſten Satzes erwerben. Der Überſchuß des Ertrags 
der außerordentlichen Arbeit zerfällt in drei Theile; über einen Theil kann der 
Dflegling fogleich verfügen, der andere wird ihm aufbewahrt bis zum Austritt aus 
der Anſtalt, und der dritte gehört der Caſſe des Vereins, zur Beſtreitung verſchie: 
dener zufälliger Ausgaben, beſonders zur Unterflügung Derjenigen, die ohne ihre 
Schuld gehindert find, den zu ihrem täglichen Unterhalte feftgefegten Bedarf zu ver: 
dienen. Hat ein folcher Pflegling ein Exfparniß von etwa 12 Thalern erworben 
und ſich gut aufgeführt, ſo kann der Verein ihn nicht länger zurückhalten, und jähr- 
lich werden mehre entlaſſen und nehmen oft nicht unbedeutende Summen mit, die 
zu ihrem Vortheile in der Sparbank der Anſtalt angelegt worden ſind. Aus al: 
len Gegenden des Landes werden hülfloſe und verwaiſte Kinder: in jene Pflanzſchu- 
len des Fleißes geſchi>t, rwoelche den Gemeinden geſunde, rüſtige und ſittliche Ar: 
beiter und Dienſtboten zurückgeben. Haben Gemeinden oder Einzelne ein Mal 
das Capital bezahlt, das zur Anſiedlung mit Armen erfoderlich iſt, ſo bleibt dieſes 
eine Stiftung, worüber ſie verfügen können. Stirbt der Anſiedler oder verläßt er 
die Anſtalt, ſo kann ſeine Stelle, ohne weitere Koften, fogleich wieder befegt wer: 
den. Bei der allgemeinen Theilnahme, welche die Armencolonien in Holland ge- 
funden haben , gibt faſt jede Gemeinde einen Beitrag und erlangt dadurch das 
Recht, jeden Arbeitsloſen und Unvermögenden in die Colonie zu ſenden, mit wel: 
cher ſie in Verbindung ſteht. Die Bettelei wird von den Ortsobrigkeiten ſtreng 
 
	        
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