Full text: A bis E (1. Band)

  
148 Baden 
ner Verſammlung von Jsraeliten zu dieſem Zwe> überlaſſen werden ſollte. Sn 
der Mitte des Jun. kam die Preßfreiheit zum Bericht, gegen Ende des Monats 
zur Verhandlung. Dieſer anerkannte Lebenspunkt des conſtitutionnellen Syſtems 
wurde auf das vielſeitigſte erörtert , ſelbſt einfache Landleute traten als Redner 
auf. Als neue Momente in einem ſo oft behandelten Stoffe: erſchienen theils die 
aus der neuen Zeit gegriffene Erfahrungslehre, daß die Preßfceiheit als warnend 
vor der Revolution chte, theils die Feſtſebung des Verhältniſſes zu den Beſchrän- 
kungen des Bundestags, wobei die Nichtverbindlichkeit eines blos proviſoriſch ges 
gebenen Ausnahmegefeges gegen die eignen Verpflichtungen dev Bundesacte, gegen 
den Ausſpruch der Verfaſſung und gegen das conſtitutionnelle Princip energiſch 
geltend gemacht wurde. Jm folgenden Monat wurde eine andere Hauptfrage erôr- 
tert. Es wurde Bericht erſtattet und verhandelt über die Zehntablöſung, und nach 
lebhaften Debatten über den Urſprung des Zehntens aus Privat- oder öffentlichem 
Recht, Uber ſeinen Charakter als gutsherrliche Abgabe oder als Steuer, über acht: 
zehn-, funfzehn-, zwölf- oder zehnfachen Ablöſungsfuß, ſiegte der funfzehnfache mit 
der Beſtimmung, daß ein Dritttheil aus Staatsmitteln beigetragen werden ſollte. 
Unterdeſſen hatte die Adelséammer ſchon im Jun. die erſte Differenz angeregt, indem 
ſie ſich dem Beſchluſſe der Volkskammer Über die Herrenfrohnen nicht anſchloßz im 
Auguſt rourde indeß dieſe Spur von Misverhältniß wieder etwas verwiſcht, da fie 
auf den Bericht Weſſenberg's dem Antrag auf unbeſchränkte Preßfreiheit mit Ein- 
fchluß der Schwurgerichte beitrat. Zu dieſer Zeit entſtand eine gewiſſe Spannung 
durch den Eintritt Türkheim's, eines Mitgliedes der Adelsëammer und Repräſen- 
tanten ariſtoëratiſcher Grundſäbe, in das Miniſterium des Auswärtigen. Aus die: 
ſem Verhältniß entwickelten ſich häufige Anfragen in Bezug auf Schritte des 
Minifteriums von politifcher Tendenz, fo unter andern wegen ungefeglicher Behand: 
lung eines politiſchen Flüchtlings aus der Schweiz und wegen Ernennung eines 
illiberalen Genfors, wobei der Staatsrat) Winter die betreffende Sigung für de 
plorabel erklärte. Ein neuer Anlaß zur Verſtimmung fand ſich bei der Prüfung der 
in der legten Budgetsperiode verwendeten Staatsgelder, worüber noh im Auguſt 
die Verhandlung begann. ES zeigten fid) Überfchreitungen, ungefesliche Maße: 
gen und Verfchleuderungen im großer Anzahl, die ganze Heillofigkeit der vorigen 
Regierung wurde aufgede>t. Die Kammer reclamirte bedeutende Summen, zum 
Theil aus der Verlaſſenſchaftsmaſſe des Großherzogs Ludwig ſelbſt, der z. B. ne: 
ben der Eivilfifte ungefeglicherweife noch eine Befoldung als Kriegsminifter bezo: 
gen hatte; andere Summen wurden nachbewilligt, wie die Überſchreitung von 
132,000 Fl. bei dem Penſionsfonds, wobei jedoch die Reviſion verlangt wurde; 
in andern Punkten wurde Beſchwerdeführung beſchloſſen, wie gegen die am ſ{hwer- 
ſten compromittirten Vorſtände der Forſt- und der Militairadminiſtration, welche 
ſich durch Berufung auf unconſtitutionnelle Cabinetsbefehle zu rechtfertigen ſuch: 
ten. Ein dur Ankauf von Staatspapieren verurſachter Verluſt von 100,000 F|. 
bei der Amortifationscaffe wurde in Betracht der guten Abſicht nachgeſehen, ent: 
ging jedoch mit Noth der Beſtimmung zu einem weitern Beſchwerdepunkt. Zwi: 
ſchen dieſe Verhandlungèn, welche ſich dur<h die Monate Auguſt und September 
hinzogen, fiel die Verhandlung über die ſogenannten landesherrlichen Declaratio: 
nen, welche als einſeitig erlaſſene Geſebbeſtimmungen über die Verhältniſſe der 
Standes- und Grundherren für rehtsungüftig erklärt wurden, und die Discuf 
fion über die VeruntwortlichEeit dev Miniſter, wobei das Anklagerecht für. jede 
Kammer einzeln, und ein großes Schwurgericht aus Notabeln als Staatsgerichts: 
hof angeſprochen wurde. Während man ſehnſüchtig der Vorlage eines Preßgeſeßes 
harrte, welche nach der Übergabe det betreffenden Adreſſe im Anfang Septembers 
als ganz nahe anaetündigt worden war, erſcholl die Kunde von dem Falle War: 
ſchaus, einer Katäſtrophe, welche zu tief in die europgiſchen Verhältniſſe eingriff, 
  
  
  
  
 
	        
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