Full text: A bis E (1. Band)

  
Baer 153 
Tendenz derſelben und der Geiſt des Erfolgs, Proßfreiheit, Zehntfreiheit, Frohnz 
freiheit — das war vom Anfang an das Hauptziel der parlamentariſchen Vez 
ſtrebungen;z zwei dieſer Foderungen waren erreicht, die Zehntfreiheit aber durch of- 
ficielle Erklärungen den Verhandlungen des nächſten Landtags zugewieſen, als 
Unterpfand die Aufhebung des Blut- und Novalzehntens gegeben. So große Er- 
folge verdankte die Kammer der imponirenden Einſtimmigkeit unter ſich und mit 
ber öffentlichen Meinung, — dem Reichthum an Jutelligenz in Verbindung mit 
conſequentem beharrlichen Willen, — dem Charakter des wahren Muthes, der durch 
Widerſtand nur erhoben wurde, und gerade nach dem Falle Warſchaus, als rings- 
um alle Verhältniſſe ſich rückwärts neigten, die größte Spannkraft entwi>elte, — 
endlich der kräftigen Unterſtüzung durch den Geiſt des Volkes, wodurch ſie weit 
úber die Grenzen Badens hinaus eine moraliſche Macht wurde und als ſolche Ach- 
tung gebot. Wie dieſe Kammer eine echtdeutſche Bolksvertretung war, mit allen 
Vorzügen des deutſchen Charakters, gründlich mit Begeiſterung und ruhig mit Kraft, 
ſo hielt ſie auh durchgehends — in der Dankadreſſe zuerſt, dann in den Budgetsver- 
handlungen, in den Erörterungen der Bundesverhältniſſe, in Sachen der Preßfreiheit, 
des Handels, der Zollvereine, zulegt in der Proteflation gegen Bundesbefchläffe — die 
nationale Richtung feſt, ſich fühlend als Theil der deutſchen Nationalrepräſentation, 
und wohl wiſſend, daß von dem geiſtigen Bunde mit der ganzen deutſchen Nation 
ihre eigne Kraft wirkſam emporgehoben und getragen werde. Erwägt man den 
naturlichen Charakter einer Propaganda, der ſich von ſelbſt ſchon in dem Daſein 
einer politiſchen Berbefferung befindet, den Einfluß eines ſolchen Beiſpiels auf den 
Geiſt der deutſchen Nation überhaupt, und die wichtige Stellung Deutfchlands in: 
mitten widerſtreitender politiſchen Principien, erinnernd an feine ehemalige Stellung 
in der Firchlichen Reform, und mit dem abermaligen Beruf, den Ausfhlag zu ge: 
ben, ſo wird man leicht zu dem Urtheil gelangen : der badiſche Landtag von 1831 
iar von unberechenbarer Bedeutung, für Baden nicht nur, ſondern für Deutſch- 
land, ja für Europa; die Kammer aber, welche ſolche Reſultate huf, war eine 
parlamentariſche Erſcheinung, wie ſie in Deutſchland nie, in Ländern von älterer 
conſtitutionnellen Ausbildung nur ſelten geſehen worden war. Sind dies weitaus- 
fehende Folgen, ſo waren die nächſten für Baden ſelbſt von dem höchſten Gewichte, 
Während in andern Theilen Deutſchlands eine gereizte Stimmung herrſchte, bot 
Baden ein wohlthuendes Bild von Zufriedenheit ; die heimkehrenden Deputirten 
wurden mit glanzenden Feſtlichkeiten und Dankbezeigungen empfangen, die öffent: 
liche Meinung feierte den Triumph des conſtitutionnellen Lebens. Die Regierung, 
nachdem die Bedenklichkeiten einmal überwunden waren, freute ſich ſelbſt des Er- 
folges, zu dem ſie mitgewirkt; die angenommenen Oefege wurden in raſcher Folge 
verfündigt, eine neue Organiſation der Verwaltung im Geiſte der Budgetverhand- 
lungen ward verfügt, eine Einmiſchung des Bundestags gegen das Preßgeſes, das 
am 1. März ins Leben trat, zurückgewieſen. Die Folgen dieſer Verhältniſſe wa- 
ren gleich vortheilhaft für Bolf und Regierung. Die Eintracht zwiſchen beiden gab 
dem Throne eine feſte moraliſche Stúze, der Gewinn für materielle Intereſſen 
aus dem Verfaſſungsleben befeſtigte auf eine ſehr wirkſame Weiſe den conſtitution- 
nellen Geiſt, das öffentliche Leben verſchmolz das badiſche Volk, früher aus ſo viel- 
farbigen Elementen zufammengeworfen, immer mehr zu einem wahren organiſchen 
Ganzen, dieſe Einheit aber und die politiſche Mündigkeit erhöhte die Bolésfkraft 
und mit ihr die Kraft des Staates und der Regierung; endlich gewann Baden 
durch alles dieſes ein moraliſches Anſehen und eine politiſche Bedeutung in Deutſch- 
land, auf welche der Umfang und die materiellen Kräfte des Landes nie einen ent- 
fernten Anfpruch eröffnet hätten. (22) 
Baer (Karl Ernſt von), Profeſſor der Zoologie und Anatomie zu Ks: 
nigsberg, wurde am 17. Febr. 1792 in Eſtland auf dem Landgute ſeines Vaters 
 
	        
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