Full text: A bis E (1. Band)

  
  
Baiern 157 
dabei eine edle Freimüthigkeit und parlamentariſche Gewandtheit und Sicherheit, 
neben der Unbehülflichkeit und Taktloſigkeit eines <wachen Miniſteriums, das 
damals, wie bisher immer, den Ständen mit der Vollziehung der Verfaſſung, mit 
der Verwirklichung der verſprochenen Vortheile derſelben nicht voranſchritt, ſondern 
fich von diefen faumfelig und mistiebig nachfchleppen ließ, und dabei an der Erb- 
Kammer einen treuen Allieten fand. Unter den dringendſten Bedürfniſſen der Na- 
tion ſtand ein allgemeines bürgerliches Geſeßbuch und eine beſſere Civilproceß- 
ordnung oben an. Die Verfaſſung ſelbſt hatte dies anerkannt und zugeſichert. 
Baiern, aus vielen, früher ſelbſtändigen Provinzen nur eben erſt in einen politiſchen 
Staatsförper vereinigt, hatte nicht weniger als 57 verſchiedene bürgerliche Geſeß- 
bücher und hat ſie noch; denn alles Anerkenntniß der Regierung, alle Verheißungen 
derſelben, alle Erinnerungen der Stände, alle aus dieſem Übelſtande ſo ſcharf here 
vortretenden Nachtheile, konnten bis zur Stunde noch nicht zu dem Ziele führen, 
ohne welches doch die Verfaſſung ſelbſt ſchon unvollſtändig bleibt , ihre Haupt- 
geundlage, die Nechtsficherheit, entbehrt, eine wahre Verſchmelzung der verſchie: 
denen Gebietstheile unmöglich, die Nechtspflege mangelhaft iſt, und alle bürger- 
lichen Verhältniſſe in ſteter Schwankung erhalten werden. Schon bei dem An- 
tritt ſeiner Regierung hatte Maximilian Joſeph, unter ungleich weniger dringenden 
Umſtänden, die Nothwendigkeit eines neuen allgemeinen bürgerlichen und Straf- 
gefegbuchs erkannt und deren Ausarbeitung befohlen. Unter ihm kam, ein allge: 
meines Strafgefegbuch wirklich zu Stande und wurde 1813 bekannt gemacht. 
Eine allgemeine Proceßordnung beſteht zwar in Baiern, iſt aber fo mangelhaft, 
daß fich dabei die Rechtspflege im traurigſten Zuſtande befindet, weshalb. die 
Stände auf deren Reform mit der Grundlage der Öffentlichkeit und Mündlich- 
Feit des gerichtlichen Verfahrens drangen. Die Regierung zeigte zwar dabei etwas 
mehr Thätigkeit, allein ihre Entwürfe mislangen bisher immer. 
Bald nach dem Landtage von 1825 beſtieg der je6t regierende König den Thronz 
es erfolgte ein Miniſterwechſel, und im Fache der innern und der Finanzverwaltung 
entfaltete ſi bald eine größere Beweglichkeit. Die Geſchäftsformen der Behörden 
wurden, wiewol nur unbedeutend, verändert; befonders machte fich eine allgemeine 
Sparſamkeit in dem Staatshaushalte bemerkbar, die innerhalb gewiſſer Schran- 
Een fo heilſam als nothwendig, in allzu großer Ausdehnung vielfältig als ſchädlich 
erkannt wird, da ſie die Fundamente der Verroaltung untergräbt und unentbehr- 
liche Staatsanſtælten verkümmert. Die bairiſche Staatsſchuld, welche durch die 
Verfaſſung unter die Gewährleiſtung der Stände geſtellt wurde, belief ſich 1819 
auf 94 Mill. und ſtieg bis 1829 auf 124 Mill. Fl., welche mit 4,800,000 Fl. ver: 
zinft werden; fie ift auf die Trankſteuer fundirt. Ungefähr drei Viertel.der Schuld iſt 
in den Händen der Privaten und Stiftungen gleich hypothekariſchenDbligationenz ein 
Viertel iſt im Handelsverkehr, und des verhältnißmäßig geringen Betrags wegen kei- 
nen Schwankungen unterworfen, Es beſteht ein Tilgungsfonds, der ſeit 40 Jah- 
ren wirklich 16 Mill. abgetragen hatz da er aber der Penſions-Amortiſationscaſſe 
beträchtliche Zuſchüſſe leiſten mußte, ſo kann ſeine Wirkſamkeit erſt mit der all- 
mäligen Verminderung der Penſionirten zunehmen. Die Penſionen belaufen 
ſich auf mehr als 4 Millionen jährlih. Da die Verroaltung des Staatsſchulden- 
weſens, wiewol ſehr verwi>elt und deshalb theuer, im Ganzen gut iſt, ihre Ver- 
pflihtungen púnktlih erfüllt, und ohne Zuſtimmung der Stände keine neuen 
Schulden gemacht werden dürfen, ſo genießt ſie volles Zutrauen, und ihr Credit iſt 
ſo groß, daß ihr ſeit 12 Jahren 50 Mill. aus Privathänden anvertraut wurden. 
Die bairiſchen Staatseffecten ſtehen ihrem Nennwerthe gleich und zum Theil höher. 
So gut dieſe Ergebniſſe ſind, ſo iſt doch nicht zu verkennen, daß dieſer Staatscredit 
ſich aus dem tiefgeſunkenen Privatcredit herſchreibt, welcher eine Folge der langfa: 
men und mans Een Rechtspflege iſt, weshalb das banre Geld den Bewerben, 
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