Full text: A bis E (1. Band)

  
158 Baiern 
dem Aderbau und Handel, zum großen Nachtheil der Induſtrie, entzogen wird, 
ein ſeit vier Jahren befchloffener Greditverein der Gutsbeſiger nicht in das Leben tre- 
ten kann, und felbft eine neue Hypothekenordnung das Vertrauen nicht herzuſtellen 
vermag. Die Staatseinnahme beläuft fich nach den neueſten Berechnungen auf 
24 Millionen, darunter die directen Steuern mit mehr ald 34 Million, die indi- 
vecten (Bieraccife, Zölle ze.) mit ‘7 Mill., die Gerichtstaren und der Stempel mit 
3 Mill., das Lotto mit 1 Mill. , die Forſten mit 2 Mill, die grundherrlichen 
Gefälle, Zehnten 1c. mit 5 Mill. die Salinen und Bergwerke mit mehr als 2 Mill. 
Berechnet man ſämmtliche Staatsabgaben, ohne Kreis- und Locallaſten nach der 
Einwohnerzahl gleichheitlich, fo würden auf jeden Kopf jährlich 6 Gulden kommen. 
Die Staatsausgaben belaufen fich auf 24 Mill. , nämlich für Tilgung und Ver- 
zinſung der Staatsſchuld 8 Mill, Civilliſte 3 Mill. , Militair 6 Mill. Staats- 
anſtalten 5 Mill., Miniſterium des Äußern 480,000 8l., der Juſtiz 950,000 Fl, 
der Finanzen 770,000 Fl. , des Innern 700,000 $1., beide legtere gemein- 
ſchaftlih 1 Mill. , für Landbauten 530,000 Fl. Die verfaſſungsmäßige Gleichz 
heit der Abgaben ift noch ſtarken Anfechtungen unterworfen. Die Beſteuerung war 
ſeit langer Zeit ein Gegenſtand vielfältiger Verſuche, wobei die Doctrin häufig an 
der Praxis ſcheiterte, die Klagen über Überbürdung und Ungleichheit mehr hervor- 
gerufen als abgeſtellt, und deren Prúfung endloſen Förmlichkeiten unterworfen wurde. 
Nach einander beſtanden ein Steuerproviforium, Momentaneum, Definitioum. 
Zheilweife Einführung einer auf Vermeſſung und Ertragsausmittelung beruhen- 
den Beſteuerung erhöhte nur noh die Ungleichheit, und um nur die immer lauter 
gewordenen gerechten Beſchwerden einigermaßen zu beſeitigen, entſchloß man fich 
auf dem jüngſten Landtage, den unauflöslichen Knoten einſtweilen zu zerhauen, zu 
einem Mittel der Willkür zu greifen und dèn betheiligten Provinzen eine gewiſſe 
/ Summe an ihren Steuern in Bauſch und Bogen nachzulaſſen. Seit vielen Jah- 
ren iſt die Regierung beſchäftigt, ihr auf Vermeſſung und Bonitirung gegründetes 
Steuerſyſtem auszuführen. Sachverſtändige behaupten, daß dieſe in der Theorie 
vielleicht richtige Methode dennoch in der Ausführung Eein gründliches Reſultat 
liefern kônne, daß nach Vollendung der langſamen, ſchwierigen, unſichern und ſehr 
koſtſpieligen Vorarbeiten die Unanwendbarkeit derſelben ſich ergeben, eine baldige 
Reviſion eintreten müſſe, und die 10 — 12 Mill, betragenden Koſten verloren 
ſein würden. Die Regierung hat viel gethan zur Ablöfung der Zehnten und an: 
derer, unter zahlreichen Benennungen beſtehenden Grundlaſten, unter welchen die 
A>erbauinduſtrie, dieſer Hauptnerv des bairiſchen Volks, nie ſich erheben kann, und 
welche in manchen Bezirken einer wahren Leibeigenſchaft gleichen. Theilweiſe find 
jene Bemühungen nicht ohne Erfolg geblieben, doch iſt verhältnißmäßig im Gan- 
zen dabei noh wenig bewirkt worden, namentlich fehlt immer noch ein Culturgeſeß. 
Der Werth der Grundſtücke iſt ſehr geſunken, obgleich der Preis der landwirth- 
ſchaftlichen Erzeugniſſe nichts weniger als gering genannt werden kann, und Ge- 
legenheit zum Abfage nicht fehlt. Dagegen mangelt es dem Landmann an Be: 
triebscapitalien und an Mitteln zur Ablöſung der Bodenlaſten , ſowie, unter 
den obenbemerkten Verhältniſſen, an Credit. Die öffentlichen Blätter wimmeln von 
Gantanzeigen, und die ewig lange Dauer der Concursproceſſe ſchre>t den Capita- 
liſten ab, dem Bauer Geld zu leihen. Der Handel in Baiern leidet, wie Überhaupt 
faft überall, unter dem Drude der Zeit, und die Bilanz ſtellt ſich niht zum Vor- 
theil des Landes dar, da ſeine Naturproducte und noch mehr ſeine Fabrikate in den 
Nachbarſtaaten theils zurückgewieſen, theils mit hohen Eingangsgebühren belegt 
ſind. Läſtige, ſteter Veränderung unterworfene Zolleinrichtungen lähmen die 
Speculation und haben auch den, in den nördlichen Provinzen einſt beſonders 
ſehr bedeutenden Tranfithandel fehr herabgebracht. Der Handelsverkehr bleibt da- 
her faſt nur auf das Innere des Landes beſchränkt, bis ſich vielleicht einſt durch die 
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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