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nes Königs und den Entſchluß deſſelben, dem Bündniſſe wider den Kaiſer beizu-
treten, anzukündigen hatte. Als Geſandter in London, wohin er 1814 ging,
{loß er den für Würtemberg beſonders vortheilhaften Subfidientractat ab.
Wenige Monate vor dem Tode des Königs ging er als Geſandter nach Petersburg,
wo er acht Jahre verweilte und die Gunſt des Kaiſerhofes wie die Zufriedenheit
ſeines Monarchen und mannichfache -Beweiſe von Auszeichnung erhielt. Er
ward 1823 zu der Stelle berufen, die er jegt bekleidet, feßte feiner Amtsfüh:
zung ein Denkmal durch den Abſchluß wichtiger Händelsverträge mit Preußen und
andern deutſchen Staaten, und durch die Verabſchiedung eines neuen Haus- und
Apanagengeſeßes der königl. Familie. Seine perſönlichen Eigenſchaften machen
ihn Jedermann fehägbar, wie verſchieden auch die politiſche Farbe fein mag; feine
Redlichkeit, ſeine Humanität, ſein Dienfteifer und feine milde Anficht von
manchen nicht ſtets mit gleicher Schonung beuetheilten Dingen find allgemein
anerkannt; im feinem Departement . herrſ<ht Aufklärung, Pünktlichkeit und
Ordnung. (33)
Berryer, Advokat zu Paris, Vertheidiger der Karliſtenblätter, karliſtiſcher
Redner in der Deputirtenkammer. Sein noch lebender Vater übernahm die Ver-
theidigung des Marſchalls Ney vor der Pairskammer, ſprach aber mit weniger
Wärme als Dupin, welcher in Gemeinſchaft mit ihm des Marſchalls Sach-
walter war, und entſchuldigte ſich nachher damit: die Wäſche ſei zu ſ<muzig als
daß man ſie rein waſchenkônne! Der Sohn übernahm die Jnjurienklage der Fa-
milie La Chalotais gegen das bourbonifche Blatt „L’Etoile“, führte aber ebenfalls
dieſe Sache mit weit weniger Wärme als der Advokat Bernard von Rennes, der
gemeinfchaftlich, mit ihm gegen die „„Etoile” fprach. Im März 1815 trat B. un:
ter die königlichen Freiwilligen und vertheidigte im folgenden Jahre vor einem
Kriegsgerichte die Generale Debelle und Cambronne, welche nad) Napoleons Rüd:
kehr von Elba feinen Fahnen gefolgt waren. Er iſt ſeiner Vorliebe für den ältern
Bourbonenſtamm treu geblieben, und als er im März 1830 zum erften Male
in der Deputictenfammer fprady und auf der Rednerbühne ein noch größeres
Zalent entwidelte als im Gerichtshofe, war Polignac im Begriff, ihm ein Porz
tefeuille zu Übergeben. Zu B.'s Glüd wurde die Ausführung diefes Entfchluffes
verſchoben. Nach der Revolution leiſtete er dem neugewählten Könige Louis Phi:
lipp einen jeſuitiſchen Eid der Treue, hat aber nicht aufgehört , ſeiner Partei
zu dienen. Zu dieſem Zwe>>e verbündet er ſich mit den Republikanern, den Napo-
leoniſten, den Anarchiſten. Wie dieſe verlangt er das allgemeine Stimmrecht, wäh-
vend früher die Anhänger der Bourbons die Wahlfreiheit zu beſchränken und end-
lich zu vernichten ſuchten. Er beruft ſich auf frühere Vorſchläge ſeiner Freunde,
welche ebenfalls das allgemeine Stimmrecht verlangten, vergißt aber dabei zu be
merken, daß jene zugleich Wahlmänner einführen wollten. Er weiß ſehr wohl, daß
in Frankreich die Bildung der untern Volksclaſſen nicht, wie z. B. in Deutſch-
land, weit genug gediehen iſt, um die unmittelbare Abſtimmung aller Einwoh-
ner zu rechtfertigenz er weiß, daß die Stimmen der Geiftlichen und der von ih:
nen aufgeregten Südbewohner eine ſehr ſtürmiſche, vernichtende Kammer, Re
publik, Anarchie und deren Folgen mit fich bringen würden, allein dies iſ ges
rade ſein Zwe>. Ganz re<t hat B., wenn er eine wohlfeile Regierung ver-
langt; doch lauten ſolche Wünſche etwas ſeltſam im Munde einer Partei, welche
das Budget immer mehr vergrößert und den Emigrirten eine Milliarde aus der
Taſche der Nation geſchenkt hatte. B. bleibt ſich in ſeiner Politik conſequent;z
er nennt Louis Philipp nie König, höchſtens Fürſt, wiewol er ihm Treue geſ<hwo-
ren hat. Wer ſeine Geſinnungen nicht theilt, muß ſein Talent achten. Er zeigte
ſich als Advokat der Karliſtenblätter und Vorkämpfer der Karliſtendeputirten als
gewandten, beißenden, ausdauernden Redner. Auf weſſen Koſten er den „Courrier
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