Full text: A bis E (1. Band)

  
246 Bewegung und Reaction 
fachen, und vorzüglich durch die allzu große Freigebigkeit oder Kargheit der Natur, m 
welche beide ein gleiches Reſultat hervorbringen, jene, indem ſie die Menſchen aller q 
Anſtrengung entwöhnt, und daher in Weichlichkeit und ſinnlichen Genüſſen un- vr 
tergehen läßt ; dieſe, indem fie ihnen zu Erhaltung ihres Eümmerlichen Dafeins fo eh 
große Anſtrengungen auflegt, daß ſie darüber jedes geiſtige Intereſſe aus den Augen M 
verlieren. Auch dieſe Nuhe iſt aber nur ſcheinbar, und kein Volk ſteht jemals ganz: ue 
lich ſtill. Sein Fortſchreiten kann ſo langſam ſein, daß es Jahrhunderte hindurch nE 
kaum zu bemerken iſ, und vorzüglich iſt die Erhebung aus den Zeiten der erſten met 
Kindheit mit fo großen Schwierigkeiten verknüpft, daß beinahe kein Volk ſie aus win 
eigner Kraft vollbringt, und wir noch jezt Völker auf der unterſten Stufe finden. hn 
Endlich wird aber doch das Licht de: Vernunft gewe>t und die Bewegung beginnt, mi 
die dann vorwärts fchreitend zuerſt auf religiöſe Gegenſtände, dann auf die äußern pam 
oder materiellen Zwe>e des Lebens, endlich auf die Jdeale der Gerechtigkeit und gm 
bürgerlichen Freiheit gerichtet iſt. Das zeigt nämlich die Geſchichte aller Völker, ym 
daß ihre erſten Schritte, wodurch ſie ſih aus urſprünglicher Rohheit und Wildheit |" ſt 
erheben, nur an der Hand der Religion gethan werden können. Von dem Geiſtigen nn, 
geht die Verbeſſerung aus, und ſie kehrt auf den höhern Stufenzu demſelben zurück. An 
Daher iſk es auch ein gänzlich leerer Einwand, welcher ſo oft vorgebracht wird, daß die ne 
Völker durch ihr Ningen nach Verbeſſerung gewöhnlich an den niedrigen Gütern des tung 
Lebens nichts gewinnen, ſondern eher zu größern Anſtrengungen und Entbehrungen wid, 
genöthigt werden. Das Glück eines Volkes-liegt nicht in reichlicher Nahrung und | Huge 
andern ſinnlichen Genüſſen, ſondern darin, daß ſi< Jeder ſeines Werths als | | 
Menſch und Bürger bewußt ſei, im lebendigen Gefühl für Wahrheit und Recht, IM 
in deren Heiligkeit aber auch Die bürgerliche Freiheit beſteht. Zu dieſem Ziele hat ai! 
die Menſchheit von jeher geſtrebt, aber in der neuern Zeit iſt die Bewegung unendlich gt 
hi raſcher und mächtiger geworden. Wer den Zuſtand der Welt, wie er vor 50 Mu Ml 
Jahren war, mit dem gegenwärtigen vergleichen kann und unbefangen vergleichen que 
will, wird fich nicht verbergen können, daß in den meiſten Ländern Europas in (6 
den Geſinnungen und Meinungen eine viel größere Veränderung vorgegangen iſt 
als vielleicht in den nächflvorhergehenden zwei Sahrhunderten zufammengenom: 
men. Die heutige Welt hat Eeinen Begriff mehr von Dem, was vor 1780 in dem 
Innern der Länder vorging , von der Willkür der Staatsverwaltung und Rechts: I 
pflege, welche damals zuweilen ſelbſt in Ländern noch ſtattfand, an deren Spite Sift 
hochgebildete Regenten ſtanden. Die Schriftſteller, ſelbſt die berühmten göttingi- tau 
ſchen „Staatsanzeigen“, haben davon nurx ſehr wenige und ſ<hwache Züge auf die hung 
Nachwelt gebracht, und das meiſte, aber zum: Theil mit großen factiſchen Unrich- ngs 
tigkeiten, würde man aus Büchern zuſammenſuchen müſſen, welche Niemand mehr mjt 
kennt. Schwerlich gibt es im ganzen heutigen Europa ein Gericht, welches ein ilt 
Urtheil , wie das über die Grafen Struenſee und Brand (1772), zu fällen im deben 
Stande wäre, und bekanntlich ift noch 1780 die legte Here, Anna Goldin, (in Ri, ı 
Glarus) verbrannt worden. Selbſt Regenten, die ihren Ruhm in ſtrenger Ge- rid ent 
rechtigkeit ſuchten, hielten es damals noch für erlaubt, die Urtheile ihrer Gerichtshöfe (ung zu 
durch Cabinetsbefehle abzuändern, und Strafen an Männern vollziehen zu laſſen, nähe 
iwelche von den Gerichten freigeſprochen waren. Wenn das ein Monarch wie Fried: Hinten 
rich U. that, in der bekannten Geſchichte des Müllers Arnold, wo er den Groß: 
Eanzler von Fürſt und den Regierungspräſidenten Grafen von Finkenſtein caf- 
ſirte, die Regierungsräthe Bandel, Grau und Neumann aber in die Feſtung nach 
IN Spandau bringen ließ, was konnte wol in andern Ländern unerwartet fein? Es 
| gab in allen Zweigen der Staatsverwaltung rechtſchaffene Männer, aber ſie waren Damm 
in der Regel in der Minderzahl und Eämpften vergeblich gegen den Strom. Nepo: hPa 
tismus, wo nicht das Schlimmere der Maitreſſenherrſchaft, Hochmuth der Vorneh- imS 
men und Kriecherei der Geringen, Beſtechlichkeit der Richter, Beamtendeſpotis- ddr 0b 
  
  
TT CW EE x 
  
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.