248 Biberg
Hauptverſchiedenheit zwiſchen den Parteien der Bewegung, wobei bie tepublifas
niſche Fraction, deren Schwäche ſich immer deutlicher hervorhebt, faum in An-
ſchlag fommet, und der Partei des Zurühaltens (der richtigen Mitte) liegt aber nicht
im Innern, ſondern in der Stellung Frankreichs gegen das Ausland. Der un-
vermeidliche Zwieſpalt zwiſchen dem alt-monarchiſchen Princip und der Julius-
revolution iſk, ungeachtet der Anerkennung des Königs der Sranzofen, Keinem ver:
borgen geblieben, und dur<h Belgien, Polen und Stalien noch mehr gefteigert
worden. Ein Kampf zwiſchen beiden iſt unausbleiblich, und die Frage nur von
beiden Seiten Über die Art ihn zu führen, ob mit den offenen Waffen des Kriegs
oder mit den ſtillen und langſam aber ſicher wirkenden der Jdee und heimlicher
Aufregung. Frankreich fühlt ſich offenbar diefem Kampfe allein nicht gewachſen
und weiß vecht gut, daß England kein ſicherer Verbündeter iſt und nicht ſein kann,
weil es ſelbſt einer großen innern Bewegung entgegenſieht. Die Partei der Be-
wegung will fi) Daher durch den ganzen gleichgeſinnten Theil der geſammten euros
päiſchen Bevölkerung verſtärken, ihre Gegner dadurch beſchäftigen, ihre Streitz
kräfte ſchwächen, und wo es gelingt, ihrer Partei durh Umſtürzen der alten Ord-
nung die Macht zu verſchaffen, fich Verbündete gewinnen. Sie verlangt daher Unter:
ſtúbung für jede revolutionnaire Unternehmung, fie will Lieber offenen Krieg als
Unterdrü>ung ihrer Verbrüderten, meil fie doch zufegt den Krieg als unausbleiblich
betrachtet, und dann geringere Mittel für fich und größere gegen fich hat. Die
Partei der richtigen Mitte hofft den Sturm zu befchtwören, indem fie Alles thut,
um die Gegner zu überzeugen, daß fie weder kriegsluſtig noch revolutionnair ſei, und
glaubt für das Jnnere dadurch zu wirken, daß ſie eine allgemeine Verminderung der
ſtehenden Heere auf dem Wege der Unterhandlung zu Stande bringt. Sie rechnet
auf die Schwierigkeiten, welche auch das übrige europäiſche Continent antreffen
muß, wenn es einen neuen allgemeinen Krieg führen ſoll, und fürchtet, wie es
ſcheint, ſelbſt den ungewiſſen Ausgang deſſelben, weil ſie zwar bisher eine große
Majorität in der Kammer von 1830 wie in der neugewählten beſaß, aber ſehr we-
nig weiß, wie ſie mit den Maſſen des Volkes ſteht. Denn in den Wahlen hat ſie
nur das Reſultat der Geſinnungen von hôchſtens 300,000 Wahlberechtigten aus
den wohlhabendern Ständen, ſcheint aber ſehr wenig Vertrauen zu der Stimmung
des eigentlichen Bolkes zu hegen. Dieſe Unſicherheit theilt übrigens auch die Partei
der Bewegung, ſonſt würde ſie den Muth gehabt haben, welchen Napoleon 1801 und
1804 hatte, alle Bürger über die Annahme feiner Conſtitutionen und ſeine Ernen-
nung zum Conſul auf Lebenszeit und zum Kaiſer abſtimmen zu laſſen, wodurch
viele Einwürfe beſeitigt, und viel größere moraliſche Kraft gewonnen worden wäre.
Aber freilich würde die Sache gefährlich geworden ſein, wenn etwa viel Eartiftifche
oder republikaniſche Stimmen in die Regiſter gekommen wären. Bisher hat die
Partei des Zurühaltens ſich im Miniſterium behauptet, aber es ſind doch manche
bedeutende Männer ſchon von ihr abgetreten, und es iſt wol nicht zu bezweifeln,
daß, ſowie Frankreich in einen Krieg verwi>elt wird, die Partei der Bewegung
ihre Stelle einnehmen wird. Zwar kann man auch dann noch mit Zuver-
Läffigkeit erwarten, daß fie in ihren Handlungen nicht ſo raſch ſein werde, als
in ihren Worten, weil ſie nur für jene, nicht aber für dieſe eine unermeß-
liche Verantwortlichkeit auf fi hat; aber dennoch läßt fih für einen fols
chen Fall durchaus nicht abſehen, wie weit dieſe Bewegung gehen, nah welcher
Seite ſie ſich wenden und wo und wie ſie enden werde. * (3)
Biber g (Niels Fredrik), Profeſſor zu Upſala, geb. 20. Jan. 1770 in
Hernoſand, wurde durch ſeinen Vater, der Lehrer am dortigen Gymnaſium war,
ſchon in früher Jugend zu Erlernung der gelehrten Sprachen angehalten, fehrieb
im zehnten Jahre hiftorifche Auffäge, und als er die Univerſität bezog, war er bes
reits gründlicher gebildet als die Meiſten, wenn ſie dieſelbe verlaſſen, Seit 1797