Bolivar 267
fchiffte fich am 10. Mai: auf einer englifchen Kriegsbrigg nach Jamaica ein. Auf
dieſer Jnſel lebte er meiſt in der Hauptſtadt Kingſton, und hier war es, wo ein
von den Spaniern gedungener Meuchelmörder ihn in ſeiner Hängematte umbrin -
gen wollte, aber einen Andern, welcher zufällig in derſelben lag, erſtah. Vor
Kingſton begab ſich- B. nah dem Hafen Aux Cayes, an der Südküſte der Jnſer
Haiti, wohin viele ſüdamerikaniſche Patrioten geflüchtet waren, Und von dem ed:
fen Präfidenten Petion und mehren Privatleuten unterftügt, gelang es eine Eleitie
Flotille zu bilden, mit. welcher die Patrioten aus Neugranada und Venezuela
unter B.'s- Oberbefehl auf der Jnſel Marguerita, wo der heldenmüthige Ari s-
mendi die Fahne der Unabhängigkeit aufs Neue aufgepflanzt hatte, am 2. Mai
1816 landeten. Noch einmal ſah ſih B. genöthigt, nachdem er von dem fpa=
niſchen General Morales geſchlagen worden war, nah dem gaſtfreundlichin
Haiti zu flüchten. Schon im Dec. 18416 aber kehrte er nah Marguerita mit einer
neuen Expedition zurú>. Als Xefe supremo (Oberhaupt) der Republik Venezuela
berief er einen Generalcongreß der Repräfentanten auf die Infel Marguerita, orgei=
niſirte im Anfange des folgenden Jahres eine proniforifche Regierung und fammelte
Truppen, um gegen General Morillo ins Feld zu rücken. Das Glú> begünſtigte
die Judependenten; die Spanier wurden abwechſelnd von Bolivar, Paez, Piar,
Santander geſchlagen, und ſhon am 15. Febr. 1819 der Congreß zu Angoſtura
eróffnet, welcher am 17. Dec. 1819 nach dem fehnlichften Wunfche des ſiegg ez
Erönten B. verfügte, daß von nun an die Länder Neugranada und Venezuela
einen einzigen untheilbaren Freiſtaat unter dem Namen Colombia bilden ſollten.
B. wurde, als Prâäſident- Befreier der Republik, mit dictatoriſcher Gewalt bekleidet,
bis zur Zuſammenkunft ‘eines conſtituirenden Nationalcongreſſes, welcher ſh
im Jun. 1821 zu Roſario de Cucuta verſammeln ſollte. B. rúcfte wieder ins
Feld, und zwar diesmal mit dem größten und am beſten ausgerüſteten Heere, das
bis jest in Colombia fúr die Sache der Unabhängigkeit gefochten hatte. Nach meh:
ren vortheilhaften Gefechten tiber die Spanier wurde zwiſchen B. und dem ſpani-
ſchen General Morillo zu Santa Ana unweit Truxillo ein Waffenſtillſtand unter-
handelt und am 25. Nov. 1820 unterzeichnet. Morillo kehrte nah Spanien zurü>,
und an ſeine Stelle trat La Torre, der nach dem Ablauf des Waffenſtillſtandes — in
welchem unter andern auch feſtgeſtellt wurde, daß der Krieg auf Tod und Leben
aufhôren und Kriegsrecht gelten ſollte — in der Schlacht von Carababo am 24.
Jun. 1821 eine gänzliche Niederlage erlitt, ſodaß ihm nur wenige Trümmer feis
nes Heeres blieben, mit welchen er nach Puerto Cabello floh, welches er zwei
Jahre lang hartnäckig vertheidigte und ſich dann endlich an General Paez ergab.
So ward ganz Colombia von der Herrſchaft der Spanier für immer befreit, Und
am 30. Aug. 1821 wurde die neue Verfaſſung bekannt - gemacht, Bogota zur
Hauptſtadt und zum künftigen Sig bes Congreſſes beſtimmt, und Bolivar zum
Präſidenten, Santander aber zum Vicepräſidenten der Republik erwählt.
Nach Colombias Befreiung richtete ſich B's Blick nach dein, noh mit Spas
nien in hartem Kampfe begriffenen Süden. Es läßt ſich ſchwer entſcheiden, ob
die Überzeugung, daß die Provinzen Colombias nie ſicher wären, fo lange Spanier
in Peru herrſchten, oder der Wunſch, die Freiheit iiber ganz Súdamerika zu ver-
breiten, oder bloßes Streben nach Ruhm und Befriedigung des Ehrgeizes in B.
den Entſchluß reiften, nachdem er Quito durch die Schlacht am Vulkan Pichincha,
welche der tapfere Sucre durch Talent und Heldenmuth am 24. Mai 1822 ge-
wann, den Späniern entriſſen hatte, der Republik Peru mit einer colombiſchen
Armee zu Hülfe zu ziehen. B. hielt am 1. Sept. 1823 ſeinen Einzug in Lima,
Perus Hauptſtadt, welches bei ſeiner Annáherung von den Royaliſten verlaſſen
worden, und wurde bald darauf von dem daſelbſt verſammelten Congreſſe zum
Dictator ernannt. Aber der Widerſtand der Parteien und die unter dem Vicefönig