Full text: A bis E (1. Band)

  
  
Adrianopel (Einnahme und Fricde von) 21 
telbare Einwirkung aber auf dieſes Geſchaft ſelbſt als Unterhändler oder Vermittler 
auszuüben, blieb aus dem Kreiſe ſeiner Veauftragung gänzlich ausgeſchloſſen. 
Mit jener Sendung feines Monarchen beauftragt, war der General Freiherr von 
Müffling über Smyrna ſchon am 4. Aug. in Pera eingetroffen. Er hatte ſofort 
mehre Unterredungen mit dem Reis-Effendi und mit den Geſandten Englands und 
Franêkreichs, wodurch die Abſchließung des Friedens auf die Bedingungen des ruf- 
ſiſchen Manifeſtes und auf die Anerkennung des Pacificationstractats von Grie- 
henland (London, den 6. Jul. 1827) vorbereitet wurde. Dér Großweſſier erhielt 
demnächſt Befehl, Bevollmächtigte an den General Diebitſch zur unverzüglichen 
© Erôffnung einer Friedensunterhandlung abzuſenden; auch der ruſſiſche Oberbefehls- 
haber erklärte ſich am 24. Aug. bereit, die Friedenspräliminarien mit denſelben ab- 
zuſchließen. Hierauf trafen am 28. Aug. zwei türkiſche Bevollmächtigte aus Konz 
flantinopel, der Defterdar Mehmed Zadik Effendi und Abul Kadir Bei, vom Corps 
der Ulemas, Kadi-Asker (Oberrichter) von Anadoli, ſowie vier andere aus dem Lager 
des Großweſſiers im ruſſiſchen Hauptquartiere ein, worauf der Ober“efehlshaber 
ſogleich an ſämmtliche Truppen auf der ganzen Linie den Befehl erließ, Halt zu 
machen. Dies wirkte auf die Erhaltung der Ruhe in der Hauptſtadt zurü>, wo 
das Vordringen der Ruſſen die größte Beſtürzung, eine allgemeine VBährung und 
gefährliche Meuterei erregt hatte, Nach der Ankunft der kaiſerl. ruſſiſchen Bevollz 
mächtigten, des Geheimenrathes Grafen Friedrich v. Pahlen und des General- 
adjutanten Grafen Alexis Orloff, wurden die Conferenzen am 1. Sept. 
in Adrianopel eröffnet. Das Protokoll führte Baron Brunoff. Noch war 
fhon am 27. Aug. der königl. preußiſche Legationsrath von Küſter, welcher 
den Herrn von Müffling auf ſeiner Sendung begleitet hatte, im kaiſerl. ruſſiſchen 
Hauptquartiere eingetroffen, aber am 31. wieder nach Rodoſto und Konſtantinopel 
zurückgekehrt, damit ſelbſt der Schein einer Vermittelung vermieden würde. Nach- 
dem Baron von Müffling auf dieſe Art ſeinen Auftrag vollzogen hatte, empfing 
ihn der Großherr in einer Privataudienz, eine Auszeichnung, der kaum ein gleiches 
Beifpiel an die Seite zu fegen fein dürfte, und ließ ihm durch den Neis-Effendi 
feine Dankbarkeit für den erfprießlichen Dienſt, welchen der König ihm geleiſtet, 
auf das feierlichfte bezeigen. Hierauf fehiffte fich der General von Müffling 
am 5. Sept. am Bord eines fardinifchen Kauffahrers nach Genua ein. Un: 
terdeffen waren fchon am 4. Sept. die Sriedenspräliminarien von den türfi- 
fchen Bevollmächtigten unterzeichnet worden; nur der Punkt wegen der Entfchäs 
digungen fand noch Schwierigkeiten, und die türkifchen Bevollmächtigten wollten 
deshalb erft neue Befehle einholen. Der ruffifche Oberbefehlshaber bewilligte ihnen 
hierzu vom 8. Sept. an eine 5tägige Friſt, ließ aber zugleich für den Fall, daß dieſe 
fruchtlos verſtriche, ſeine Avantgarde einige Bewegungen machen. Jn der Bez 
ſtürzung, welche dieſe Maßregel aufs Neue durch die Hauptſtadt verbreitete, berief 
der Reis-Effendi die beiden Botſchafter von Frankreich und England und den preuß. 
Gefandten von Royer zu einer Conferenz. Auf ihren Nath, durch fehleunige Un- 
terzeichnung des Friedens den Umfturz des Reichs zu verhindern, wünſchten die 
Miniſter der Pforte, daß einer der drei Geſandten ſich in das ruſſiſche Hauptquar- 
tier verfügte, um die Bereitwilligkeit der Pforte zu jeder Friedensbedingung zu be- 
zeugen und inzwiſchen das Vorrücken der Nuſſen gegen die Hauptſtadt abzuwenden. 
Die Geſandten wieſen dieſes Verlangen ab, weil ſie niht ermächtigt wären, als 
Vermittler aufzutreten. Die türkiſchen Miniſter aber drangen, von den beiden 
Botſchaftern unterſtüßt, am heftigſten in den preußiſchen Geſandten, dieſe Sen- 
dung zu Übernehmen und ſo das vom General von Müffling begonnene Werk zu 
vollenden. Der Geſandte von Noyer fonnte dieſe Zumüthung gleichfalls nur ab- 
lehnen, indem der Zwe> Preußens und die von ihm übernommene Obliegenheit in 
der That erfüllt waren, ſobald die Friedensuntcrhandlungen begonnen hatten. 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.