won C4
Burke 353
nen Beſchwerden und Gefahren aber trugen dazu bei, die Preiſe der Leichen zu
ſteigern. Es iſ mehr als wahrſcheinlich, daß ſchon vor den, în der neueſten, Zeit
durch gerichtliche Unterſuchung entde>ten Fällen die Gewinnſucht auch zu Mord-
thaten verleitet hat, da nach glaubwürdigen Zeugniſſen bereits früher unter ſehr
verdächtigen Umſtänden den Arzten Leichen zum Verkaufe angeboten wurden, und
junge Arzte Gelegenheit fanden, ſogar einzelne Glieder von friſchen Leichen zu: ihren
Privatübungen zu kaufen. Der nachtheilige Einfluß dieſer Umſtände auf die Sitt=z
lichkeit und auf das ärztliche Studium gab endlich 1827 Veranlaſſung, einen Gez
ſeßvorſchlag in das Parlament zu bringen, nach welchem die niht von Angehörigen
abgefoderten Leichen der in den Armenhäuſern, Spitälern und Gefängniſſen Ver-
ftorhenen an die anatomifchen Säle abgegeben werden ſollten, und das Einſchreiten
der Gefeggebung war um ſo nôthiger, da nach einer neuern Verfügung Niemand zur
Ausübung der Wundarzneikunft zugelaffen werden konnte, der nicht bei der Prüfung
dargethan, daß er in den öffentlichen anatomifchen Schulen einem doppelten Cur=
fus in der praktiſchen Zergliederung beigewohnt habe. Mean berechnete, daß von
den, 1827 in ſämmtlichen Armenhäuſern Londons geſtorbenen 3744 Perſonen
“ 3103-auf öffentliche Koſten beerdigt, und darunter nur 1108 von Verwandten
zu Grabe begleitet worden waren, woraus der Schluß gezogen wurde, daß“ durch
die Annahme des Vorſchlags die anatomiſchen Schulen in London reichlich mit
Reichen verfehen werden könnten. Der Geſeßantrag enthielt jedoch eine Bedin-
gung, welche ebenſo widerſinnig als dem anatomiſchen Studium hinderlich war,
da ſie beſtimmte, daß die Anatomen den zergliederten Leib bei 50 Pfund Sterling
Strafe begraben laſſen ſollten. Die Univerſitäten zu Edinburg und Glasgow
wandten Überdies gegen den Vorfchlag ein, daß durch die Ausführung deſſelben
die anatomiſchen Schulen in London ein für die ſchottiſchen Lehranſtalten nachthei-
liges Übergewicht erhalten würden, da namentlich in Edinburg die Zahl der nicht
abgefoderten Leichen weit geringer als in London ſei und jährlich niht 100 be-
trage, weshalb wenigſtens die Ausfuhr der Leichen von London und Dublin nach
Edinburg und Glasgow geſtattet werden müſſe. Es ward ein Ausſchuß des
Parlaments ernannt, deſſen Unterſuchungen merkwürdige Thatſachen über das
Leichenſtehlen lieferten. (S. „Report of the select committee of anatomy“/, 1828.)
Der Antrag wurde vom Haufe der Gemeinen angenommen, vom Oberhaufe aber
verworfen. ‚Um diefelbe Zeit beftätigten empörende Vorfälle in Edinburg die ſchon
lange gehegte Vermuthung, daß die Seltenheit und Theurung der Leichen zu Ver-
brechen verleitet hatte, wie es: fpäter ähnliche Entde>ungen in London, Kinderraub
und Mordthaten, gleichfalls bewieſen. Im December 1828 ward ein ſeit mehren
Jahren in Edinburg wohnender Schuhmacher, William Burke, ein Fatholis
ſcher Jrländer, verhaftet und dreier Mordthaten beſchuldigt, die in -demſelben
Jahre waren begangen worden, um die Leichname an Anatomen zu verkaufen.
Die im October an einer Altlichen Frau in B.’s Wohnung verübte Mordthat
hatte die Polizei zur Entdekung geführt. B.’s Nachbar, Namens Hare, ward
als. Mitfchuldiger verhaftet. Beide leugneten; B. ward jedoch, durch Beugenauss
fagen der Ießten Mordthat völlig überwiefen und als die Gefchwornen das Schul
dig ausgefprochen, zum Tode verurtheilt. Kurz vor ſeiner Hinrichtung legte er
im Gefängniſſe vor obrigkeitlichen Perſonen ein offenes Bekenntniß ſeiner Schuld
ab, das er wenige Tage vor ſeiner Hinricht.ing in Gegenwart derſelben Beam-
ten und eines katholiſchen Geiſtlichen beſtätigte. Es ging daraus hervor, daß
ſeit dem Anfange des Jahres 1828 vor der entde>ten Mordthat 15 Perſonen er-
ſti>t und die Leichname derſelben an einen Arzt in Edinburg, Dr. Knox, verkauft
worden waren. Ein alter Mann, der zu Ende des Jahres 1827 in Hare’s Woh-
nung an einer Krankheit ſtarb, führte die Verſuchung zu der langen Reihe von
Verbrechen herbei. Hare, dem der Verſtorbene eine kleine Summe ſchuldig ge-
Conv.-Lex. dex neueſten Zeit und Literatur. T. 2